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Hoffen auf das "Informatikjahr"

Margrit Miosga1. April 2006

Die deutsche Informatikbranche klagt über mangelnden Nachwuchs und fehlende wirtschaftspolitische Unterstützung. Das "Informatikjahr" soll Interesse an dem Sektor wecken.

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In Deutschland werden Informatikstudenten gebrauchtBild: Bilderbox

"Wir stellen fest, dass die Studienanfängerzahlen im Bereich der Informatik wieder zurückgehen, das macht uns besorgt", sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). Doch 2006 biete Chancen, daran etwas zu ändern - denn nach dem "Einsteinjahr" wurde diesmal das "Informatikjahr" ausgerufen. Anliegen der vom Forschungsministerium ins Leben gerufenen Wissenschaftsjahre ist es, Interesse an der Forschung zu wecken.

Traditionelle Stärken

Im Informatikjahr werden vielen Veranstaltungen, Wettbewerbe und Ausstellungen zum Thema stattfinden. Ab Mai wird ein Ausstellungsschiff von der Elbe bis zum Rhein bis in den Süden des Landes quer durch Deutschland schippern. Träger ist vor allem die Gesellschaft "Wissenschaft im Dialog", die schon der Motor für die vergangenen sechs Wissenschaftsjahre war. "In einem solchen Jahr können Sie Bewusstsein schaffen, sie können Interesse wecken an einer Branche, die offenbar Probleme hat, sich selbst zu erklären", sagt Rohleder. "Wenn wir die Bedeutung der Informatik auch in den Schulen deutlich zeigen, dann hoffen wir, dass das zusätzliches Interesse bei Schulabgängern schafft."

Darüber hinaus wolle man die Innovationschancen deutlich machen, erklärt Matthias Jarke, Präsident der Gesellschaft für Informatik und Professor an der TU Aachen. Es solle um die Frage gehen, in welchen Bereich Deutschland eine Chance habe, "einen Sprung nach vorne zu machen". Im internationalen Vergleich steht Deutschland hinter den USA und Kanada allerdings gar nicht so schlecht da, sagt Jarke. Traditionelle Stärken der deutschen Informatik lägen etwa im elektrotechnischen Bereich, in der künstlichen Intelligenz und in der theoretischen Informatik - und in der letzten Zeit in der Verknüpfung der Informatik mit Ingenieurswissenschaften, etwa im Maschinen- oder Automobilbau. "Da sehe ich eine wesentliche Zukunft."

Strukturprobleme

Aber, so gibt August Wilhelm Scheer, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik in Saarbrücken, zu bedenken, die Boombranche habe ein strukturelles Problem. Trotz hoher Qualität könne die Branche nicht richtig durchstarten. In erfolgreichen Ländern wie Finnland oder Südkorea habe es stets ein politisches Konzept gegeben: "Wenn man auf dem Gebiet der Informationstechnik nach vorne will, dann braucht man eine Einheit von Forschungsförderung und Ausbildung, verbunden mit einem klaren Konzept von Firmengründungen. Diesen letzten Teil sehe ich in Deutschland und Europa noch nicht."

Nagelprobe deutschen Könnens

Ein Projekt, das ähnlich wie die Anlagen zur Erfassung der Autobahn-Maut eine Nagelprobe deutschen Könnens werde, sei die Einführung der Gesundheitskarte. Das weltweit umfangreichste Informatik-Projekt findet passenderweise im Informatikjahr statt. "Man muss ich die Dimensionen klar machen: Es bekommen 80 Millionen Versicherte solche Gesundheitskarten", erklärt der Informatik-Professor Jarke. "Und diese 80 Millionen Karten interagieren dann mit zwei Millionen anderen Systemen in Arztpraxen, Krankenhäusern und Versicherungen." Ein vernünftiges Zusammenspiel dieser Elemente zu gewährleisten, sei eine große Herausforderung, deren Bewältigung sich positiv auf den ganzen Standort auswirke: "Solche Referenzdemonstrationsprojekte haben immer auch einen positiven Einfluss auf die Exportchancen."

Der Wirtschaftsinformatiker Scheer hält zudem eine politische Neuorientierung für wichtig. So müsse eine politische Instanz für die gesamte Wertschöpfungskette von der Ideenentwicklung bis hin zum Markterfolg verantwortlich sein. "Da haben wir einmal das Ministerium für Forschung, das ist nur an der Forschung interessiert, dann haben wir hinterher das Wirtschaftsministerium, das wiederum nur in seiner Welt lebt, oder wir haben das Finanzministerium, das seine eigene Blickrichtung hat." Ein übergreifendes Konzept müsse jedoch all diese Ressorts umfassen.