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Nachwachsende Rohstoffe

Vera Möller-Holtkamp24. Januar 2007

Sie sollen viele Probleme lösen: energiepolitische, wirtschaftliche und klimatische. Aber Umweltschützer sehen Biokraftstoffe auch kritisch. Sind die alternativen Energien doch nicht so bio?

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Rapsfeld vor Stahlwerk in DuisburgBild: AP

Biokraftstoffe sind in und ihr Markt boomt. Seit dem 1.1.2007 fließen sie in Deutschland durch jede Zapfsäule. Sie werden dem konventionellen Kraftstoff beigemischt. Etwa fünf Prozent des teuren Saftes ist Biosprit. Dieser Anteil soll bis 2015 auf acht Prozent ansteigen. In Lateinamerika, Asien, Australien und Europa werden immer mehr energiereiche Pflanzen, wie Zuckerrohr, Mais, Weizen oder Raps angebaut und verarbeitet. Auch der US-amerikanische Präsident George W. Bush hat jüngst in seiner Rede vor dem US-Kongress (23.1.2007) eine verstärkte Nutzung von Biokraftstoffen angekündigt. Die Ziele, die verfolgt werden, sind vielschichtig: Energiepolitisch geht es darum, von Öl- und Gasimporten unabhängiger zu werden. Es gibt auch wirtschaftliche Vorteile: Weniger Einfuhren bedeuten geringere Kosten für die Wirtschaft. Und natürlich sollen Biokraftstoffe auch umweltfreundlicher sein. Aber genau dieser Punkt ist umstritten.

"Kein grünes Mäntelchen für alle Biokraftstoffe", fordert Imke Lübbeke, die Energieexpertin der Umweltstiftung WWF Deutschland. Nachwachsende Rohstoffe seien nicht unbedingt umweltfreundlich.

Wird die Grüne Lunge der Erde für Biomasse geopfert?

Brandrodung in Brasilien Urwald Ackerland
Brandrodung in Para, BrasilienBild: AP

Unbestritten ist, dass die Verbrennung von Biokraftstoffen geringere Mengen des schädlichen Kohlendioxids (CO²) freisetzt als die Verbrennung fossiler Kraftstoffe. Das bestätigt auch die Ökobilanz des Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) in Heidelberg. WWF, Naturschutzbund und Umweltschutzorganisationen aus Lateinamerika warnen trotzdem vor dem Bio-Boom. In Brasilien, Indonesien und Malaysia hat die Rodung des Regenwaldes zugenommen, um Platz zu schaffen für neue Anbauflächen. Die Brandrodung verursacht riesige Kohlendioxid-Emissionen, die den Treibhauseffekt verstärken. Außerdem kann ein Zuckerrohrfeld oder eine Ölpalmenplantage bei weitem nicht so viel CO² speichern, wie ein Regenwald auf gleicher Fläche.

"Dabei gibt es noch beträchtliche Anbaupotenziale in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten", sagt Jürgen Zeddies, Agrarökonom von der Universität Hohenheim. "Eine Million Hektar Ackerland, das heißt fast zehn Prozent der Anbaufläche in Deutschland, liegen brach, und dieser Stillstand wird auch noch staatlich gefördert", so Zeddies. Diese Fläche könnte man für den Anbau nachwachsender Rohstoffe nutzen. Umweltschützer warnen allerdings davor, dieses Potenzial voll auszuschöpfen. Ihr Argument: Viele Pflanzenarten in Deutschland würden aussterben, weil sich durch die effiziente Flächennutzung die Bodenbeschaffenheit verändere.

Biokraftstoffe umweltfreundlich produziert?

Imke Lübbeke vom WWF freut sich, dass die Europäische Union den Biosprit stärker fördern will. "Jetzt müssen wir darauf achten, dass der Biosprit auch umweltfreundlich gewonnen wird. Es macht keinen Sinn, für Kraftstoffe aus Raps und Zuckerrüben wichtige Naturschutzflächen oder den Boden- und Wasserschutz zu opfern", sagt Lübbeke.

Kohle Kraftwerk in Hessen
Kohlekraftwerk in Grosskrotzeburg, DeutschlandBild: AP

Der WWF und das Heidelberger Ökoinstitut stimmen überein, dass die Nutzung von Biomasse für die Strom- und Wärmeherstellung besonders umweltfreundlich wäre. In diesem Bereich gibt es immer noch viele Kohlekraftwerke, die besonders große Mengen Kohlendioxid produzieren. "Es geht immer um die Frage, welche Energie man durch Bioenergie ersetzt. Und da macht es Sinn, die kohlenstoffreichste zu ersetzen", sagt Nils Rettenmaier vom IFEU-Institut. "Das geschieht aber immer noch zu wenig", sagt Lübbeke. "Die Autoindustrie nutzt die Biokraftstoffe für ihre Lobbyarbeit. Und versucht, von ihrer Aufgabe abzulenken, wirklich sparsame Fahrzeuge zu bauen", betont die Energieexpertin.

Ein Hoffnungsschimmer für die Umweltschützer ist die neue und noch sehr umstrittene EU-Umweltrichtlinie, die den Autoherstellern spritdurstiger Fahrzeuge das Leben schwer machen will. Umweltkommissar Stavros Dimas will der Autoindustrie erstmals gesetzlich vorschreiben, den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Neuwagen bis zum Jahr 2012 um ein Viertel zu senken. Sparsamere Motoren und andere technische Neuerungen sowie Steueranreize sollen dieses Ziel gewährleisten.

Der Lobbykampf zwischen Umweltschützern und der Autoindustrie hat gerade erst begonnen.