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Hinter Lewandowski kommt nicht viel

Tobias Ufer10. Oktober 2014

Wenn Polen gegen Deutschland in der EM-Qualifikation antritt, schauen fast alle auf den großen Hoffnungsträger Robert Lewandowski. Doch er allein kann die großen Probleme des polnischen Fußballs nicht lösen.

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Fußball Polen gegen Litauen
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warzawa

Für Robert Lewandowski wird es ein besonderes Spiel in seiner Geburtsstadt Warschau. Wenn es am Samstag (11.10.2014, 20:45 MESZ) gegen den Weltmeister aus Deutschland geht, spielt der Torjäger auch gegen viele alte Bekannte und Vereinskameraden aus der Bundesliga. „Das Spiel gegen Deutschland wird ein bisschen komisch. Ich kenne viele Spieler der Mannschaft, verbringe Zeit mit einigen von ihnen und mit einigen habe ich große Trophäen gewonnen. Jetzt stehe ich gegen sie auf dem Feld“, so der 26-Jährige.

Lewandowski trägt die Hoffnung des polnischen Fußballs so gut wie allein auf seinen Schultern. Denn weitere Hoffnungsträger im Team von Nationaltrainer Adam Nawalka sucht man vergeblich. Richtig gute junge Talente fehlen Polens Fußballauswahl. Einzig der bei Bayer 04 Leverkusen ausgemusterte und inzwischen an Ajax Amsterdam ausgeliehene Stürmer Arkadiusz Milik ist mit seinen 20 Jahren jünger als 23 Jahre. Milik ist im 4-4-2 System von Trainer Nawalka der zweite Stürmer neben Lewandowski. Spieler wie Lukasz Piszczek von Borussia Dortmund verfügen zwar über internationales Format, er ist mit 29 Jahren aber ebenso wenig ein Perspektivspieler wie sein noch immer verletzter BVB-Teamkollege Jakub Blaszczykowski.

Fußball Polen Nationalmannschaft Training
Coach Nawalka (l.) im Gespräch mit Lewandowski (r.)Bild: picture-alliance/dpa/B. Zborowski

"So unglaublich schlecht"

Die sportliche Krise im polnischen Fußballnachwuchs ist sogar so groß, dass es mit Lukasz Szukala (30, Steaua Bukarest) im vergangenen Jahr ein 29-jähriger in den Kader geschafft hat, der bis 2010 noch für Alemannia Aachen in der zweiten Bundesliga kickte. Auch der Trainer räumt ein, dass er "die Mannschaft noch formen muss". Adam Nawalka übernahm vor einem Jahr das Traineramt und testete seitdem fast 70 Spieler aus. Noch deutlicher werden die Probleme Polens beim Blick auf die relevanten Ranglisten von FIFA und UEFA. In der FIFA-Weltrangliste rangiert Polen auf Position 70 noch hinter den Fußballnationen Jordanien, Libyen oder Venezuela. Und auch die polnische Liga steht nicht besser da. In der UEFA-Fünfjahreswertung, die über die internationalen Startplätze entscheidet, liegt die Ekstraklasa auf Platz 21 hinter Israel und Zypern.

Die Nationalmannschaft konnte sich für die letzten beiden Weltmeisterschaften in Südafrika (2010) und Brasilien (2014) nicht qualifizieren. Bei den einzigen beiden EM-Teilnahmen der letzten 50 Jahre (2008 und 2012 im eigenen Land) war jeweils schon in der Vorrunde Schluss. Der ehemalige Box-Weltmeister Dariusz Michalczewski hat jetzt vor dem Spiel gegen Deutschland den polnischen Fußball heftig kritisiert: "Wir sind so unglaublich schlecht", sagte der 46-Jährige im Interview mit der Münchner AZ. Von der EURO 2012 habe zwar sein Heimatland profitiert, "nicht aber der Fußball, der ist ja noch schlechter geworden". Dabei habe Polen "gute Einzelspieler, die es können würden", so Michalczewski.

Fußball Freundschaftspiel Polen gegen Deutschland 2011 Dariusz Michalczewski
Dariusz Michalczewski kritisiert den polnischen FußballBild: Getty Images/A. Grimm

Lewandowski gegen Neuer

Einer dieser guten Einzelspieler ist Robert Lewandowski. Er schoss sein Team, beim 7:0 Austaktsieg in der EM-Qualifikation, gegen Gibraltar mit seinen vier Treffern fast allein zum Sieg. Auch die Defensivausrichtung von Trainer Nawalka kann sich durchaus sehen lassen. In fünf von acht Spielen unter seiner Verantwortung blieb Polen ohne Gegentor. Aber: der kommende Gegner ist eben der Weltmeister und nicht Gibraltar. Und im gegnerischen Tor steht dann auch nicht Jordan Perez, sondern Lewandowskis Teamkollege Manuel Neuer. Und gegen ihn hat, so berichtet Neuer mit einem Schmunzeln, der Stürmer selbst im Training des FC Bayern keine Chance. Immerhin: sein erstes Tor in der Bundesliga erzielte Lewandowski vor über vier Jahren eben gegen Manuel Neuer, beim 3:1 Erfolg von Borussia Dortmund gegen den FC Schalke 04.

Lewandowski stand vor seinem Wechsel zu den Bayern bei fast allen europäischen Topadressen des Fußballs auf dem Wunschzettel und zählt inzwischen zu den weltbesten Stürmern. Dennoch: Seine sensationelle Entwicklung kann die Mängel im polnischen Fußball nicht überdecken. Langfristig müssen Reformen und Konzepte angepackt werden um sich zu erneuern. Und da ist nicht nur der Fußball gefragt. Korruptions- und Manipulationsvorwürfe sowie gewaltbereite Hooligans sind ständiger Begleiter des polnischen Fußballs. Ein kurzfristiger Erfolg über den ersatzgeschwächten Weltmeister würde temporär sicher gut tun. Es wäre obendrein auch ein wichtiger Schritt in Richtung einer dritten Europameisterschaftsteilnahme in Folge. Doch bei der Lösung der strukturellen Probleme hilft dann auch kein Robert Lewandowski mehr.