1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hinter den Kulissen: Tauziehen um UNO-Reform

Klaus Dahmann, New York19. Mai 2005

Schon im Juli soll Klarheit über eine mögliche Erweiterung des UNO-Sicherheitsrats herrschen. Das diplomatische Tauziehen nimmt deshalb an Spannung zu. Gegner der Reform sind die USA und der "Coffee Club".

https://p.dw.com/p/6etQ
Die UNO in New YorkBild: AP
Kofi Annan
Kofi AnnanBild: AP

Wenn es nach UNO-Generalsekretär Kofi Annan geht, werden die Details zur Erweiterung des Sicherheitsrats nicht erst auf der großen Reformsitzung der Generalversammlung im September 2005 entschieden. Denn der Streit um neue ständige Sitze, um die möglichen Kandidaten und auch die Vetorechts-Frage droht die Staatengemeinschaft zu spalten und die anderen Reformschritte gleich mit zu gefährden. Und so wollen einige bis zur Sommerpause Ende Juli Klarheit schaffen: Wer viel in die UN-Kassen zahlt, soll auch stets im Sicherheitsrat über die Verwendung des Geldes mitbestimmen können - so die Argumentation Japans und Deutschlands, die als Nummer Zwei und Drei in der Liste der größten Beitragszahler seit langem einen ständigen Sitz fordern. Zusammen mit den beiden weiteren Aspiranten Brasilien und Indien ziehen sie in den verbleibenden Wochen alle diplomatischen Register - weltweit.

Schritt für Schritt

Gunter Pleuger
Gunter Pleuger (Archiv)Bild: AP

Die Zeit bis Ende Juli ist knapp, das weiß auch Gunter Pleuger, Deutschlands oberster Vertreter bei den Vereinten Nationen. Anfang Mai stimmte er sich mit den Botschaftern Japans, Brasiliens und Indiens ab, wie sie bis Ende Juli für ihre Pläne die notwendige Mehrheit in der Generalversammlung zusammen bekommen wollen. Der erste Schritt ist dabei eine Resolution, mit der die groben Eckdaten festgeschrieben werden. Sprich: um wie viele neue ständige und nicht-ständige Sitze der Sicherheitsrat erweitert werden soll, wie sich diese Sitze auf die Weltregionen verteilen und schließlich auch, wie die ständigen Mitglieder zu wählen sind.

Einen Entwurf für diese Resolution haben die vier Botschafter am Montag (16.5.) in kleinem Kreise vorgestellt. Dazu hatten sie Vertreter all jener Länder eingeladen, die sie bereits auf ihrer Seite wähnen - insgesamt etwa 70 Staaten, vor allem aus Afrika und Osteuropa. Nach dem Treffen im Deutschen Haus in New York war Gunter Pleuger optimistisch. "Diese erste Diskussionsrunde über die Resolution, die wir heute vorgelegt haben, war sehr positiv", sagte er. "Und wir werden jetzt in den kommenden Tagen und Wochen in enger Zusammenarbeit mit dieser Gruppe, aber auch mit allen anderen Delegationen versuchen, die notwendige Anzahl von Stimmen für diese Resolution zu sammeln." Notwendig sind allerdings mindestens zwei Drittel der insgesamt 191 Stimmen in der Generalversammlung - da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Ständige Mitglieder

UN-Sicherheitsrat
UN-Sicherheitsrat tagt im Hauptquartier in New York (Archiv)Bild: ap

Die Vierergruppe will sechs neue ständige Sitze im Sicherheitsrat: zwei für Asien, zwei für Afrika, einen für Lateinamerika und einen für Westeuropa. So allgemein steht es in dem jetzigen Resolutionsentwurf - obwohl natürlich klar ist, dass Deutschland, Japan, Brasilien und Indien vier dieser sechs Sitze selbst beanspruchen. Doch darüber soll erst im zweiten Schritt abgestimmt werden, so der indische Botschafter Nirupam Sen: "Wir schlagen vor, dass die Generalversammlung volle Freiheit haben soll, auf demokratische Weise über jedes neue ständige Mitglied einzeln abzustimmen."

Diese sechs neuen ständigen Mitglieder sollten auch Vetorecht besitzen - oder wie es im Resolutionsentwurf wörtlich heißt: "dieselbe Verantwortung und dieselben Pflichten haben" wie die bisherigen fünf ständigen Mitglieder. Aber angesichts des massiven Widerstandes deuten die vier Staaten in ihrem Resolutionsentwurf an, nicht auf dieser Vetorechts-Forderung bestehen zu wollen. Der brasilianische Botschafter Ronaldo Mota Sardenberg drückt es so aus: "Nun, uns geht es darum, dass die Resolution verabschiedet wird. Die Vetorechts-Frage sollte dabei kein Hindernis sein, sie sollte nicht die Chancen auf eine Verabschiedung der Resolution zerstören. Das ist unser Plan zu diesem Zeitpunkt."

Das eigentliche Ziel der Vierergruppe scheint ohnehin ein anderes zu sein: das Vetorecht der fünf jetzigen ständigen Mitglieder zur Debatte zu stellen. "Wenn es schon nicht rechtlich geändert werden kann, dann sollte es doch wenigstens in der Ausübung so gestaltet werden, dass es akzeptabler wird", sagt Gunter Pleuger. "Also, beispielsweise bei einer Resolution, die einen Völkermord, einen Genozid verhindern soll, dafür sollte es kein Veto geben."

Nicht-ständige Mitglieder

Neben den sechs neuen ständigen Sitzen sollen noch vier nicht-ständige Sitze hinzukommen - das ist einer mehr als bisher geplant. Denn Generalsekretär Kofi Annan wollte die Gesamtzahl der Sicherheitsratsmitglieder auf 24 begrenzen. Deutschland, Japan, Brasilien und Indien haben hier ein Zugeständnis an die Osteuropäer gemacht, die sonst bei der Erweiterung leer ausgegangen wären.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer die Gegner der Reformpläne sind!

Gegner

Doch der Widerstand gegen die Pläne der Viergruppe ist stark. Am lautesten trommelt der so genannte "Coffee Club" mit Pakistan, Italien und Mexiko an der Spitze. Sie waren schon in den 1970er Jahren, als erstmals eine UN-Kommission eine Erweiterung des Sicherheitsrats um neue ständige Mitglieder beraten sollte, mit ihrer Blockade-Haltung erfolgreich.

Mit noch größerem Widerstand müssen die vier selbst erklärten Aspiranten von den jetzigen ständigen Mitgliedern - vor allem wohl von den USA, Russland und China - rechnen. Die halten sich zwar derzeit noch bedeckt mit klaren offiziellen Aussagen zu den Hoffnungen der Vierergruppe. Aber die grundlegenden Positionen sind schon bekannt. Washington zum Beispiel wolle die Erweiterung des Sicherheitsrats so klein wie möglich halten, sagt UN-Experte Jeff Laurenti von der New Yorker Century Foundation. "Diese US-Regierung unterstützt nur die Ambitionen eines Landes auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Und das heißt nicht Deutschland - sondern Japan. Weil Japan (im Irak-Krieg) ein treuer Verbündeter für George W. Bush gewesen ist, ein sehr treuer Verbündeter. Und treuen Verbündeten muss man helfen. Und natürlich war Deutschland kein treuer Verbündeter."

Diese Haltung ließ sich der Vorsitzende im Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Volker Rühe (CDU), von US-Regierungsbeamten erläutern, wie er am Mittwoch (18.5.) sagte. Einen ständigen Sitz Deutschlands im Weltsicherheitsrat lehne die US-Regierung demnach nicht grundsätzlich ab. Dafür sei die Bush-Regierung aber auch nicht - anders als im Fall Japan, dessen Kandidatur als ständiges Mitglied im UN- Sicherheitsrat von Washington schon jetzt unterstützt werde.

Japans Problem

Japan hat jedoch einen anderen gewichtigen Gegner unter den ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat: China. Und das dürfte eine wirklich schwierige Überzeugungsarbeit für die Regierung in Tokio werden, zumal das Verhältnis zwischen beiden Ländern derzeit gespannt ist. Das weiß Japans UN-Botschafter Kenzo Oshima: "Natürlich stehen wir in Kontakt mit Chinas Regierung. Wir haben vereinbart, weiter gemeinsam über dieses Thema zu beraten. Ob das zu einer Übereinstimmung führen wird - das weiß ich nicht, wirklich nicht. Aber zumindest bleiben wir in Kontakt."

Ob der Diplomaten-Poker tatsächlich schon Ende Juli vorbei ist, ist fraglich. Ebenso, ob die Generalversammlung im September eine wegweisende Entscheidung über die Reform des Sicherheitsrats fällt.