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Himmel und Herren

Peter Stützle3. Mai 2008

Der vergangene Donnerstag war ein Tag, an dem Deutschland und seine Hauptstadt Berlin wieder geteilt waren. Gemeinsam war Ost und West nur, dass Feiertag war. Genau genommen sogar zwei Feiertage.

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Bild: DW

Als kirchlicher Feiertag ist Christi Himmelfahrt schon seit dem fünften Jahrhundert bezeugt. Sehr viel jüngeren Datums ist der Muttertag, der immer am zweiten Sonntag im Mai gefeiert wird. An diesem Tag ist es üblich in Deutschland, dass der Vater und die Kinder der Mutter alle Hausarbeit abnehmen. Irgendwann müssen einige Väter diesen Brauch als furchtbar ungerecht empfunden haben. Sie erklärten das normalerweise auf den Muttertag folgende Fest Christi Himmelfahrt zum Vatertag und feierten ihn auf ihre Weise: Sie deckten sich mit reichlich alkoholischen Getränken ein und zogen hinaus in die Natur mit dem Ziel, abends ohne diese Vorräte wieder nach Hause zu schwanken.

Fernschreiber Autorenfoto, Peter Stützle

Durch diesen Brauch mussten sich Männer, die (noch) keine Väter waren, natürlich ausgegrenzt fühlen. Nur reagierten sie auf diese gefühlte Benachteiligung unterschiedlich in Ost und West. Es wäre eine lohnenswerte Aufgabe für Sozialhistoriker, nachzuforschen, ob die Auseinanderentwicklung des alkoholisierten Himmelfahrtstags eine Folge der politischen Entfremdung infolge des Kalten Kriegs war oder eine Spätfolge der Kirchenspaltung vor einem halben Jahrtausend.

Vatertag oder Herrentag

Im einst kommunistischen, aber auch protestantisch geprägten Osten ging man die Sache systematisch an und ersetzte das diskriminierende Wort "Vatertag“ durch das nachwuchsneutrale "Herrentag“. (Eine Umbenennung des Muttertags in Damentag wurde hingegen unterlassen.) Im katholisch-unbekümmerten Rheinland und im katholisch-barocken Bayern dagegen scherte man sich einfach nicht um die Bezeichnung des Vatertags und feierte selbst als eiserner Junggeselle trinkfest mit in Wald und Flur; schließlich konnten theoretisch immer noch Kinder kommen.

Auch wenn von der Berliner Mauer längst nur noch ein paar Erinnerungsstücke stehen, die Verwendung der Begriffe "Vatertag“ und "Herrentag“ markiert ihren einstigen Verlauf immer noch messerscharf. Im vereinten Deutschland bringt das indes einige Komplikationen. Zum Beispiel für den seit fünf Jahren aus dem Westberliner "Sender Freies Berlin“ und dem "Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg“ fusionierten "Rundfunk Berlin Brandenburg“ (rbb). Die rbb-Welle "Antenne Brandenburg“ berichtete von Landpartien zum Herrentag, während "radioBERLIN 88,8“ vom Vatertag sprach und sich damit für Hörer im Ostteil Berlins unversehens als ein Sender entpuppte, der immer noch der Westberliner Inselmentalität verhaftet ist.

Himmelfahrt am 1. Mai

Wer indessen im Osten traditionsbehaftet ist, den stellte der Herrentag in diesem Jahr noch vor eine besondere Herausforderung. Und für die ist wiederum die katholische Kirche verantwortlich. Denn nach deren Gregorianischem Kalender lag Ostern in diesem Jahr besonders früh, was zur Folge hatte, dass auch Christi Himmelfahrt entsprechend früh war - und zwar nicht nur vor dem Muttertag (der ist 2008 am 11. Mai), sondern sogar am 1. Mai, was zuletzt im Jahre 1913 der Fall war.

Der 1. Mai aber ist der traditionelle Tag der Arbeit, der "Kampftag der Arbeiterklasse“, wie er in der DDR hieß und mit pompösen Umzügen gefeiert wurde. Wer mit dieser Tradition nicht brechen wollte, der musste in diesem Jahr erst beim Mai-Umzug mitmarschieren, dann nach Hause eilen, einen Kasten Bier auf den Fahrradanhänger laden und mit kräftigen Tritten hinaus in die Natur radeln zu den weniger prinzipienfesten Geschlechtsgenossen, deren bereits erreichter Grad der Alkoholisierung allerdings nur noch schwer aufzuholen war.

Stress für katholische Gewerkschafter

Vor demselben Problem stand im übrigen auch der westdeutsche Gewerkschafter, denn auch im Westen war und ist der 1. Mai ein gesetzlicher Feiertag, an dem die Arbeiter für ihre Sache auf die Straße gingen und gehen. Dieser Maifeiertag hat immerhin eine solche Ausstrahlung entwickelt, dass sich dem auch die katholische Kirche nicht entziehen konnte. Mitte des 20. Jahrhunderts erklärte Papst Pius XII. den 1. Mai zum gottesdienstpflichtigen Fest "Joseph der Arbeiter“, dabei großzügig darüber hinwegsehend, dass der Stiefvater von Jesus wohl eher ein selbständiger Bauhandwerker war. Für trinkfreudige katholische Gewerkschafter muss der vergangene Donnerstag echter Stress gewesen sein.