Geldstrafen, weil keine Hilfe geleistet wurde
18. September 2017Der 83-Jährige hatte hilflos neben einem Geldautomaten im Vorraum einer Bank in Essen gelegen. Vier Kunden ignorierten ihn. Auf dem Video der Überwachungskamera waren vier Personen zu erkennen, die um den Mann herumgehen, über ihn hinwegsteigen und ihn achtlos liegen lassen. Erst der fünfte Kunde alarmiert einen Arzt. Der Rentner war nach dem Vorfall im Oktober 2016 nicht wieder zu Bewusstsein gekommen und eine Woche später gestorben. Ein Gutachten ergab, dass er auch gestorben wäre, wenn ein Arzt frühzeitiger gekommen wäre.
Der Fall schockierte die Öffentlichkeit
Deutschlandweit hatte der Fall für Fassungslosigkeit gesorgt und die Debatte über eine Verrohung der Gesellschaft angeheizt. Drei der vier Bankkunden auf dem Video mussten sich jetzt vor Gericht wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Das Verfahren gegen den vierten Angeklagten wurde wegen dessen Gesundheitszustandes abgetrennt.
Die drei Bankkunden hätten billigend in Kauf genommen, dass da jemand liegt, der Hilfe benötigt. "Keiner wollte Hilfe leisten", sagte Richter Karl-Peter Wittenberg zur Begründung der Geldstrafen. Die Verteidigung der 39-jährigen Angeklagten sowie der 55 und 61 Jahre alten männlichen Beschuldigten hatte Freisprüche gefordert.
Videoaufnahme: Rentner war mehrfach gestürzt
Die Frau und der 61-Jährige hatten ausgesagt, sie hätten den 83-Jährigen für einen schlafenden Obdachlosen gehalten. Das Gericht verurteilte nun die Frau zu einer Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro. Der 61-Jährige muss 2800 Euro zahlen, der 55-Jährige 2400 Euro.
Der 83-Jährige war innerhalb weniger Minuten mehrfach rückwärts gefallen und mit dem Kopf auf dem Fliesenboden aufgeschlagen. Nach einem dritten Sturz blieb er liegen - mitten in dem Raum neben einem Geldautomaten, wie die vor Gericht gezeigten Filme aus der Überwachungskamera zeigten. Als die Polizei eintraf, habe der 83-Jährige noch seinen Namen nennen können und gesagt, dass er müde sei, berichtete ein Polizeibeamter vor Gericht.
Angeklagte bedauern ihr Verhalten
Daher ließ das Gericht den Einwand der Angeklagten nicht gelten, sie hätten den Mann für einen schlafenden Obdachlosen gehalten. Weil der Mann offen sichtbar in unmittelbarer Nähe der Bankautomaten lag, hätte es für die Angeklagten keinen vernünftigen Zweifel geben können, dass hier ein Unglücksfall vorlag und eine Hilfeleistung erforderlich war, so Richter Wittenberg.
Bei der Strafzumessung sei berücksichtigt worden, dass die Angeklagten bisher nicht vorbestraft waren. Ihr Verhalten hatten die drei in dem Prozess bedauert.
uh/jj (dpa, kna)