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Hilfe zur Selbsthilfe

Peter Philipp27. November 2002

Bundeskanzler Schröder hat Israel die Lieferung von Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr zugesagt, um sich vor Raketenangriffen schützen zu können. Warum dies gar nicht so abwegig ist, kommentiert Peter Philipp.

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Schon sehr früh hat Israel die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass es seine Sicherheit besser nicht allein auf ausländische Waffen und Hilfsversprechen begründen kann. Vor allem, als Frankreich am Vorabend des Sechstagekrieges 1967 seine Waffenlieferungen an Israel stoppte. Seit jenen Tagen ist das Land damit beschäftigt, eine eigene leistungsfähige Rüstungsindustrie zu unterhalten. Was zu beachtlichen Erfolgen geführt hat, immer aber auch Schwierigkeiten bereitet, weil das Geld hierfür knapp ist und der Etat durch Waffenexporte meist nicht aufgebessert werden kann.

Zu den israelischen Eigen-Entwicklungen gehört ein leistungsfähiges Raketenabwehr-System, an dem man seit rund 15 Jahren arbeitet und das bereits wiederholte Tests erfolgreich bestanden hat. Der "Arrow" ("Pfeil"), der inzwischen in seiner zweiten Modellreihe existiert, soll ein treffsicheres und zuverlässiges Gerät feindlicher Raketen und Überschall-Flugzeuge sein. Darüber sind seine Konstrukteure sich einig, ebenso amerikanische Experten, die einige der Tests miterlebt haben.

Nur: Außer Testergebnisse gibt es bisher nichts. Da wurden über dem östlichen Mittelmeer Raketenangriffe simuliert und die "Arrow II" vernichtete die angreifende Rakete. Wie es im wirklichen Ernstfall aussähe, vermag niemand zu sagen. Beim letzten solchen Ernstfall – während des Kuwait-Krieges 1991 – war die "Arrow" noch nicht einsatzbereit und Israel erhielt von den USA und der Bundesrepublik "Patriot" Abwehr-Raketen. Einige kamen spät, andere verfehlten ihr Ziel, aber einigen gelang doch auch der Abschuss anfliegender irakischer "Scud"-Raketen. Trotzdem: gut drei Dutzend dieser "Scud" schlugen in Israel ein, richteten Sachschaden an, verletzten Dutzende von Menschen und mindestens zwei Zivilisten kamen dabei um.

Ob der Irak noch über solche "Scud"-Raketen verfügt, ist ungewiss und – unter anderem Gegenstand der Untersuchungen der UN-Waffeninspektoren. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass Saddam Hussein im Falle militärischer Bedrängnis wieder versuchen wird, Israel anzugreifen, das sich 1991 auch nach diesen Angriffen zähneknirschend zurückhielt und nichts unternahm. Unter Ministerpräsident Scharon könnte dies vielleicht anders aussehen, aber das ändert nichts an den Tatsachen: Israel ist nicht am geplanten Irak-Krieg beteiligt, es droht aber in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Vor diesem Hintergrund muss der israelische Antrag gesehen werden, die Bundesrepublik möge ihm in Deutschland vorhandene und nicht benötigte "Patriot"-Batterien verkaufen. Selbst wenn der israelische "Arrow" besser sein sollte als der "Patriot" – es ist nachvollziehbar, dass die Regierung in Jerusalem es für sinnvoll hält, sich für den Fall der Fälle auch mit dem amerikanischen "Patriot" auszurüsten, den man kennt und erprobt hat.

Mit "Waffenlieferungen in Spannungsgebiete" kann die deutsche Zusage schwerlich verglichen werden. Denn Israel befindet sich nicht im Krieg mit dem Irak, es droht aber mit ein Opfer des Krieges der USA gegen den Irak zu werden. Im Gegensatz zu diesem Fall hat die Bundesrepublik in der Vergangenheit auch immer sehr restriktiv reagiert, wenn Israel Waffen für den Konflikt mit seinen direkten Nachbarn haben wollte.

Hieraus schließlich eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg abzuleiten, ist gleichermaßen falsch: Hier hilft ein Außenstehender einem anderen Außenstehenden, sich gegen mögliche Gefahren zu verteidigen. Und mehr nicht.