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Anonyme Insolvenzler

27. März 2009

Überschuldet und zahlungsunfähig: 2008 waren in Deutschland 30.000 Firmen von diesem Schicksal betroffen. Nüchterne Zahlen mit katastrophalen Auswirkungen auf die Beteiligten. Eine Organisation verspricht jetzt Hilfe.

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Attila v. Unruh (Foto: DW)
Attila von Unruh ist für seine Klientein fast immer zu erreichenBild: DW/ Möderler

Der gelernte Kaufmann und Unternehmensberater Attila von Unruh hat erkannt, was von Insolvenz Betroffene brauchen: Austausch mit anderen. Diskret und anonym. Und konkrete Tipps, wie es weiter gehen kann. All das bietet er kostenfrei und ohne Verpflichtungen. Die Resonanz auf seine Bemühungen begeistert ihn. "Es gibt einen ganz großen Bedarf an dieser Arbeit. Und es gibt auch einen ganz großen Unterstützterkreis, der Hilfe anbietet" Anwälte, Insolvenzverwalter, Richter unterstützen ihn ebenso wie Unternehmer, die selbst mal in der Pleite waren, und nun darüber hinweg gekommen sind.

Karl Steinmayr, ursprünglich war der studierte Ingenieur erfolgreicher Unternehmer (Foto: DW)
Karl Steinmayr kann wieder lachenBild: DW/ Möderler

Ob Privatinsolvenz oder insolventes Unternehmen – jeder Betroffene darf die Angebote der "Anonymen Insolvenzler" in Anspruch nehmen. In monatlichen Gesprächskreisen in Köln, Hamburg und München tauschen sie sich aus. Attila von Unruh hat jedes Verständnis für Insolvenzler. Denn er war selbst betroffen. Mit einer ursprünglich erfolgreichen Event-Agentur ging er pleite. Und machte aus der traumatischen Erfahrung sein neues Kapital. Als Unternehmensberater und Coach macht er inzwischen andere Führungskräfte krisenfest. Und wird dafür so gut bezahlt, dass er alle Arbeit für seine Organisation der "Anonymen Insolvenzler" unentgeltlich leistet.

Pleite sein ist ein Tabu

Einer, der die bittere Erfahrung der Insolvenz schon hinter sich hat, ist Karl Steinmayr. Ursprünglich war der studierte Ingenieur erfolgreicher Unternehmer. Zwanzig Jahre lang verkauft er spezielle Software-Lösungen für Firmen-Netzwerke. Dann ging ein Zulieferer pleite. Steinmayr konnte einen Großauftrag nicht mehr abwickeln. Seine Firma verlor schlagartig alle Einkünfte. Er musste Insolvenz anmelden. "Als das passierte, stand man wie vor einem schwarzen Loch. In einem Kreis von saturierten Bekannten und Freunden, dann plötzlich als Nichts, als Nichts-mehr-Habender dazustehen, das war schon schwierig."

Firma weg, Haus weg, Geld weg. In einer Gesellschaft, die Verlierer gnadenlos aussortiert, ist Pleite zu sein ein Tabu. Bis heute. Deswegen wählte Attila von Unruh den Namen seiner Organisation analog zur bekannten Selbsthilfeorganisation "Anonyme Alkoholiker" und nannte sie "Anonyme Insolvenzler". Der 47-jährige Familienvater kennt den ungeheuren Druck, unter dem Menschen in der Insolvenz stehen. Entsprechend sorgfältig geht er mit seinem Klientel um. Jede Anfrage per eMail wird zeitnah beantwortet, ebenso jeder Anruf. Niemand wird abgewimmelt oder vertröstet. Auch in den Gesprächskreisen ist jeder willkommen. 15 bis 20 Personen finden sich für gewöhnlich ein. Mancher kommt einmal, mancher lässt keinen Termin aus. "Wenn die in den Gesprächskreis kommen, sind die angespannt, unter Druck. Nach zwei Stunden gehen die Leute raus und lachen. Das ist für mich das Zeichen, dass das eine gute Arbeit ist.

Man kann hinfallen, man aber sofort wieder aufstehen

Prospekt Anonyme Insolvenzler (Foto: DW)
In den Gesprächskreisen darf jeder anonym bleibenBild: DW/ Möderler

Er habe viele Pleitiers wieder aufs Gleis setzten können, sagt von Unruh. Ein Unternehmen hatte sich beispielsweise durch Streitigkeiten zwischen Geschäftsführung und Betriebsleitung fast selbst zerstört. Dank der Krisen-Intervention der "Anonymen Insolvenzler" konnte der Streit geschlichtet werden. Das Unternehmen schreibt wieder schwarze Zahlen.

Einige, die den Weg aus der Krise gefunden haben, bleiben ihm als Ratgeber erhalten. Zum Beispiel Software-Unternehmer Karl Steinmayr. Durch Austausch, Gespräche und gute Kontakte fand er wieder den Mut, an seine Produkte und Ideen zu glauben. Er gründete ein neues Software-Unternehmen, das er nach mehreren Jahren ertragsreich verkaufen konnte. Heute widmet sich der 66-jährige ganz seiner Beratertätigkeit. "Wir haben es ja selbst miterlebt. Wir sind keine Anwälte, wir sind keine Buchprüfer, sondern Menschen. Man kann hinfallen, aber muss sofort wieder aufstehen - das ist die Botschaft!"

Autorin: Catrin Möderler

Redaktion: Manfred Götzke