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Hilfe für Tschernobyl-Opfer: Neue Herausforderungen

20. April 2006

In Deutschland gibt es zahlreiche Initiativen, die den Menschen in den Regionen helfen wollen, die seit der Katastrophe in Tschernobyl radioaktiv belastet sind. Eine davon ist die Stiftung "Kinder von Tschernobyl".

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Mit deutscher Hilfe konnten Untersuchungen in Krankenhäusern verbessert werdenBild: AP

In den 15 Jahren, in denen deutsche Organisationen Tschernobyl-Opfern helfen, haben sich die Prioritäten ihrer Arbeit wesentlich verändert. In den ersten Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden in die betroffenen Gebiete vor allem Lastwagen mit Medikamenten und Vitaminen geschickt, die dort fehlten. Da sich aber in den vergangenen Jahren die Wirtschaftslage vor Ort verbessert hat, wird in Deutschland keine humanitäre Hilfe mehr für die Tschernobyl-Opfer gesammelt. Am wirksamsten sind heute die Initiativen, die eine stabile Finanzierung aufweisen und langfristig zur Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in den betroffenen Gebieten beitragen können. Ein solches Projekt verwirklicht in Weißrussland und in der Ukraine die Stiftung "Kinder von Tschernobyl" des Landes Niedersachsen.

Rückblick: Schwieriger Anfang

Die Hannoveraner Stiftung versorgt seit vielen Jahren ukrainische Krankenhäuser mit Ultraschall-Geräten zur Früherkennung von Schilddrüsenkrebs. Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung "Kinder von Tschernobyl", Prof. Dr. med. Heyo Eckel, sagte der Deutschen Welle, die ersten Besuche einer deutsche Delegation in Kiew hätten 1996 und 1997 auf Einladung der Akademie der Wissenschaften der Ukraine stattgefunden. Aber schon während der ersten Treffen seien Meinungsverschiedenheiten deutlich geworden: "Wir haben versucht klar zu machen, dass wir nicht gerne in Kiew und nicht in Zentralen sein wollten, wo ohnehin die Versorgung besser ist, auch die apparative Ausstattung besser ist, sondern dass wir uns wie in Weißrussland um die ländlichen Regionen und die hochbelasteten Regionen kümmern wollten - Kiew ist ja nicht hoch belastet. Das fand in der Akademie der Wissenschaften nicht sehr viel Anklang, sondern die war der Meinung: Ihr gebt uns die Geräte, wir sorgen schon dafür. Das gibt es nicht in unserer Stiftung, sondern wir schauen uns selbst das Krankenhaus an, an das wir jedes Gerät vergeben, und nicht nur das Krankenhaus, sondern wir nehmen auch Kontakt zu den Ärzten auf und schauen nach, ob sie mit Ultraschall-Diagnostik überhaupt etwas anfangen können."

Das Prinzip Kontrolle

Die modernen Siemens-Geräte, die ukrainischen Krankenhäusern übergeben werden, sind sehr teuer. Ein Gerät kostet so viel wie ein mittlerer Mercedes. In Deutschland haben längst nicht alle Krankenhäuser solche Geräte. Deswegen ist die deutsche Seite bemüht, dass die Geräte ihren Zweck erfüllen. Dazu sagte Eckel: "Wir haben das Prinzip, dass wir in den ersten beiden Jahren dieses Gerät verleihen und dann wiederkommen und schauen, was ist mit dem Gerät passiert und was ist sonst passiert. Alle halbe Jahre müssen die Kollegen aus den Krankenhäusern uns ihre Statistik schicken, was sie gemacht haben. Wir legen großen Wert darauf, dass sie neben ihrer aktuellen Versorgung, die sie machen, auch Screening für die Kinder und Jugendlichen machen, also an den Schulen. Und das machen sie auch."

"Wir sind nie enttäuscht worden"

Eckel betont, dass die Ärzte sehr sorgfältig mit den Geräten umgehen und diese oft im Zwei-Schichtbetrieb nutzen würden. Gruppen ukrainischer Ärzte haben mit Hilfe der Hannoveraner Stiftung mehrmals an Fortbildungen in Deutschland teilgenommen. Sie alle arbeiten Eckel zufolge auf hohem Niveau. Er unterstrich, dass der Stiftung ständiger Kontakt mit den ukrainischen Partnern sehr wichtig sei. Der Erfolg der Stiftung basiert Eckel zufolge auf folgendem: "Sie wissen ganz genau, wir kommen wieder. Das ist natürlich aufwendig, das bedeutet Arbeit, das bedeutet Reisen, das bedeutet Mühe. Aber das ist das eiserne Prinzip. Wir kommen nach einer bestimmten Zeit wieder, wir kommen auch gelegentlich unangemeldet. Aber wir sind eigentlich nie enttäuscht worden, das muss ich wirklich sagen."

Ausblick: Neue Krebsvorsorge-Programme nötig

Eckel ist der Meinung, dass das Problem Schilddrüsenkrebs in einigen Jahren bewältigt sein wird, denn es ist auf ein kurzlebiges Nuklid zurückzuführen. Außerdem sei die Diagnostik und Therapie inzwischen sehr gut. Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung "Kinder von Tschernobyl" beunruhigt aber folgendes: "Meine Sorge gilt eigentlich viel mehr dem Problem der langlebigen Schäden. Wir sind fest davon überzeugt und stehen auch nicht alleine, dass durch Strontium und Cäsium in zehn, 20, 30 Jahren ganz andere Formen von Krebs auftreten werden, die dann eigentlich der Therapie bedürften, sofern das noch geht. Eigentlich sind wir der Meinung, dass man ein sehr systematisches Vorsorge- oder sollte man sagen ein Nachsorgeprogramm bräuchte. Und hier wäre die EU gefordert. Wir waren in Brüssel und haben das dort vorgestellt. Wir sind auch zunächst gefördert worden, aber es fehlt eine wirkliche Unterstützung, um so ein Programm aufzulegen, was überhaupt nicht teuer wäre. Wir haben uns auch bereit erklärt, mit der Medizinischen Hochschule Hannover ein solches Programm auszuarbeiten, wir haben das auch schon getan und wir würden es auch begleiten können."

Natalia Fiebrig, Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 19.4.2006, Fokus Ost-Südost