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"Hitlers Kunsthändler"

Ruben Kalus15. März 2016

Der Fall Gurlitt beschäftigt die Kunstwelt seit Jahren. Eine jetzt erschienene Biographie zeigt, wie Hildebrand Gurlitt trotz - oder gerade wegen - seiner jüdischen Großmutter zum Kunsthändler der Nazis wurde.

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Grab von Hildebrand Gurlitt. Foto: Foto: Martin Gerten/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/Martin Gerten

Der deutsche Kunsthändler Hildebrand Gurlitt war ein Freund der modernen Kunst. Doch nach der Machterlangung der Nationalsozialisten und der damit einhergehenden "Säuberung der Kunsttempel" von moderner und entarteter Kunst, verband er seine Liebe zur Kunst mit Geschäften der Nationalsozialisten: 1938 entschieden sich die Nazis, die von ihnen beschlagnahmte "entartete" Kunst – also Kunst, die nicht in ihre Ideologie passte – nicht nur zu propagandistischen Zwecken auszustellen, sondern profitable Werke gegen Devisen ins Ausland zu verkaufen und so die Reichskasse aufzubessern.

Für diese sogenannte "Verwertungsaktion" wurden fachkundliche Händler gesucht. Hildebrand Gurlitt bewarb sich in einem Schreiben bei der Abteilung IX. des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda um die Aufgabe und wurde einer von insgesamt vier Kunsthändlern im Auftrag des NS-Regimes. Bis 1944 wickelte er tausende Geschäfte für die Nazis ab und sammelte Bilder für das in Linz geplante Führermuseum.

Hildebrand Gurlitt (M.) auf einer Feierstunde für den Präsidenten der IHK, Prof. Dr. Wilden. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf 015-421-005 /Wilhelm Margulies
Hildebrand Gurlitt (M.) auf einer Feierstunde für den Präsidenten der IHK, Prof. Dr. WildenBild: picture-alliance/dpa

Schutzsuche bei den Deutschen

Bevor er seine Geschäfte mit dem NS-Regime begann, war Hildebrand Gurlitt Leiter des König-Albert-Museums in Zwickau, wo er eine Sammlung moderner Kunst aufbauen wollte. Doch sein avantgardistischer Kunstgeschmack gefiel nicht allen, so dass er auf Druck des konservativen Bürgertums entlassen wurde. Auch von seiner späteren Anstellung als Geschäftsführer des Kunstvereins in Hamburg wurde er nach einiger Zeit entbunden.

Der Lebensgeschichte von Hildebrand Gurlitt hat sich die promovierte Kunsthistorikerin Meike Hoffmann angenommen. Zusammen mit der Tagesspiegel-Redakteurin Nicola Kuhn hat sie jetzt die Biographie "Hitlers Kunsthändler" über Hildebrand Gurlitt veröffentlicht. Für Hoffmann war es wichtig, die Entwicklung von Gurlitt von Beginn an darzustellen, erklärt sie im DW-Gespräch. Sie wollte herausfinden, "wie er in diesen Sog des Nationalsozialismus hinein geraten ist, korrumpiert wurde und sich in diese komplizierten Mechanismen reingewurschtelt hat".

Buchcover der Hildebrand Gurlitt Biographie "Hitlers Kunsthändler"
"Hitlers Kunsthändler" ist am 9. März beim Beck-Verlag erschienen

Ein wichtiger Beweggrund für Gurlitt war sein jüdischer Hintergrund. Seine Großmutter war Jüdin, womit er als "Vierteljude" galt. Durch seine Arbeit für die Nazis genoss er so "die Schutzfunktion" der Deutschen und konnte gleichzeitig weiter mit den Werken arbeiten, die er seit jeher favorisiert hat, erklärt Hoffmann.

Profitable Geschäfte

Auf 400 Seiten erstreckt sich die Gurlitt-Biographie, die neben privaten Hintergründen und Gurlitts beruflichen Stationen auch darstellt, wie er bei seinen Geschäften für das NS-Regime vorging, um den größtmöglichen Profit herauszuschlagen. So habe sich Gurlitt aus den beschlagnahmten Kunstwerken gezielt "Meisterwerke herausgezogen, weil er wusste, dass diese Künstler einen internationalen Marktwerk hatten und er sich dann sofort auch als ein großer Devisenbringer profilieren könnte", so Hoffmann.

Ein Teil dieser Werke landete auch in Gurlitts persönlicher Sammlung: "Das eine oder andere ist sicherlich aus persönlichem Interesse erworben worden. Aber zum großen Teil sind das auch Restbestände, die er nicht an deutschen Museen weiterverkaufen konnte", so die Autorin.

Detaillierte Archivrecherche

Nach dem Krieg, im Jahr 1948, begann Gurlitt als Direktor des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen. Mit seiner Arbeit dort habe er "die Wiedergutmachung der klassischen Moderne eingeleitet", so Hoffmann.

Ihre Informationen über Hildebrand Gurlitt hat die Kunsthistorikerin in Museumsarchiven gefunden. "Auch heute lagern eigentlich in fast allen Museumsarchiven in Deutschland und darüber hinaus in der Schweiz, in Frankreich und in England Korrespondenzen mit Hildebrand Gurlitt, weil er eben während der ganzen Zeit so intensiv seinen Kontakt mit all den Museen gepflegt hat", erzählt Hoffmann der DW. Die Bundesarchive dienten ebenfalls als Quelle. Ein besonderer Glücksfall und Ausgangspunkt für das Buch war der Erwerb von Korrespondenzen und Dokumenten aus dem Jahr 1943/44. Hoffmanns Kollege Andreas Hünecke erwarb diese wichtigen Quellen bei einem Online-Anbieter. "Da fing ich dann auch langsam an, über eine Publikation über Hildebrand Gurlitt nachzudenken", erzählt die Autorin.

Kunsthistorikerin Meike Hoffmann. Foto: Marc Müller/dpa
Autorin des Buches: die Kunsthistorikerin Meike HoffmannBild: picture-alliance/dpa

Provenienz-Recherche für die "Gurlitt-Taskforce"

Die Kunstgeschäfte der Familie Gurlitt haben Meike Hoffmanns Berufsleben in den letzten Jahren entscheidend geprägt. So beschäftigte sie sich nicht nur mit Hildebrand Gurlitt, sondern auch mit seinem Sohn Cornelius: In dessen Wohnung wurden im Jahr 2012 über 1000 Kunstwerke gefunden, darunter Werke von Malern wie zum Beispiel Marc Chagall, Max Liebermann, Henri Matisse und Pablo Picasso. Mehrere der Bilder, die allesamt beschlagnahmt wurden, standen unter dem Verdacht, NS-Raubkunst zu sein. Der so genannte "Schwabinger Kunstfund" gelang im Herbst 2013 an die Öffentlichkeit.

Von der deutschen Bundesregierung wurde daraufhin eine sogenannte "Taskforce" gegründete, die die Herkunft der Kunstwerke bestimmen sollte. Ziel war es herauszufinden, ob es sich bei einigen Werken um Raubkunst der Nazis handelt, und sie ihren rechtmäßigen Besitzern und Erben zurück zugeben.

Teil dieser Taskforce war auch Meike Hoffmann, die mit der Provenienz-Recherche beauftragt wurde. Nach gut zwei Jahren wurde die "Gurlitt-Taskforce" aufgelöst. Das Ergebnis im Abschlussbericht lautet: Von 499 verdächtigten Werke konnten lediglich vier zweifelsfrei als NS-Raubkunst identifiziert werden. Bei zwei weiteren Bildern, deren Herkunft geklärt werden konnte, besteht ein verstärkter Verdacht, dass es sich um Raubkunst handelt.

Meike Hoffmann/ Nicola Kuhn: "Hitlers Kunsthändler", 400 Seiten, C.H.Beck-Verlag, ISBN 978-3-406-69094-5