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Herr Regener spricht über Herrn Lehmann

Das Gespräch führte Klaudia Prevezanos2. Oktober 2003

Am 2. Oktober kommt der Kreuzberg-Roman "Herr Lehmann" in die Kinos. Autor Sven Regener hat auch das Drehbuch geschrieben. Mit DW-WORLD sprach er über den Film, Loriot und darüber, warum er an der Vorgeschichte arbeitet.

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"Meine Angst vor Peinlichkeit ist übergroß", sagt Sven RegenerBild: dpa

DW-WORLD: Verfilmte Bücher sind fast immer enttäuschend. Warum soll das bei "Herr Lehmann" anders sein?

Sven Regener: Ich finde den Film nicht enttäuschend. Normalerweise bin ich Leser eines Buches. Wenn ich den Film dazu dann sehe, werden mir teilweise meine eigenen Bilder genommen. Auch die Stimmen der Leute oder wie sie einen bestimmten Satz aussprechen, können sehr enttäuschend sein. Das liegt in der Natur der Sache und man kann mit einer Buchverfilmung eine Menge anrichten. Vielleicht bin ich von "Herr Lehmann" nicht enttäuscht, weil mir meine Bilder nicht genommen worden sind. Wenn ich an Herrn Lehmann denke, sehe ich zwar nicht das Gesicht von seinem Darsteller Christian Ulmen vor mir. Wenn ich allerdings den Film sehe, dann nehme ich ihm völlig ab, dass er Herr Lehmann ist.

Haben Sie die Darsteller mit ausgesucht?

Herr Lehmann Filmszene Eltern
Szene aus dem Film "Herr Lehmann"Bild: Delphi Filmverleih

Bei der Auswahl der Schauspieler hatte ich absolut keinen Einfluss. Ich finde, dass ein Film in seinem eigenen Recht ist. Ich muss den Film auch nicht so sehr in einen engen Zusammenhang zum Buch setzen, weil das Buch für mich eine ganz eigenständige Welt ist. Allerdings brauchte ich beim Film, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, schon eine halbe Stunde, um mich daran zu gewöhnen, wie die alle aussehen. Vor allem musste ich mich an die konkreten Stimmen gewöhnen, weil ich mir deren Klang oft sehr anders vorgestellt habe. In dem Buch gibt es ja sehr viele Dialoge. Aber in dem Moment, wo ich mich daran gewöhnt hatte, fand ich den Film wirklich ganz toll. Irgendwann kippt er ja ins Traurige, was ich ganz großartig gemacht finde. Ich bin dann auch sehr bewegt gewesen.

Sie schreiben schon wieder an einem Buch. Wann kommt die Fortsetzung von "Herr Lehmann"?

Ich schreibe keine Fortsetzung, ich schreibe die Vorgeschichte. Das war von vornherein so angelegt, "Herr Lehmann" ist der dritte Band einer Trilogie. Die Figur des Herrn Lehmann ist mir über das erste Kapitel des Buches zugelaufen. Dann habe ich neun Jahre lang darüber nachgedacht, wie Herr Lehmann geworden ist, was er ist, und habe mir seine ganze Welt zusammengesponnen. Der hat mal Speditionskaufmann gelernt und bei der Bundeswehr war er auch. Er hat schon eine ganze Menge Geschichte, ohne dass er darum ein großes Bohai macht. Er ist ein in sich ruhender Mensch, was ihn ja auch wieder verdächtig macht – in seiner Umgebung und für den Leser. Er ist ein hart arbeitender Mensch, der damit zufrieden ist. Das ist eine reizvolle Geschichte.

Welcher Teil der Trilogie kommt als nächstes heraus?

Herr Lehmann Filmszene
Szene aus dem Film "Herr Lehmann"Bild: Delphi Filmverleih

Ich schreibe zuerst den ersten Teil, der auch als nächstes herauskommen soll. Entweder im Frühjahr oder im Herbst 2004. Eigentlich sollte man noch gar nicht darüber reden, denn das sind ungelegte Eier und ich bin abergläubisch. Es kann immer noch sein, dass ich es nicht schaffe und das Buch nicht gut genug wird. Dann ist es besser, es nicht rauszubringen, anstatt etwas zu veröffentlichen, wofür man sich später schämen muss. Meine Angst vor Peinlichkeit ist übergroß. Das ist der Bremer in mir, ich mag es nicht gerne, wenn es peinlich wird. Stattdessen bringe ich Herrn Lehmann gerne in peinliche Situationen, weil es Spaß macht, wenn er sich so überwinden muss.

Auch ohne Fortsetzung: Was, denken Sie, ist aus Frank Lehmann geworden?

Ich würde mich nicht auf eine Version festlegen wollen, es kommt darauf an, was er noch so vorhat. Er wird wohl nicht mehr so weitermachen, sondern etwas anderes versuchen, weil es keinen Spaß mehr ohne seinen Kumpel Karl macht. Vielleicht geht er in eine andere Stadt, vielleicht will er ins Ausland, vielleicht will er viel Geld verdienen.

Sie legen Wert darauf, dass Ihre Hauptfigur nicht Ihr Alter Ego ist: In welcher Weise ist Sven Regener anders als Frank Lehmann?

Herr Lehmann Filmszene
Szene aus dem Film "Herr Lehmann"Bild: Delphi Filmverleih

Wenn man die Figuren aus dem Buch nimmt, dann wäre ich von meiner Lebensgeschichte her viel eher jemand wie dieser Freund Karl oder Marco und Klaus. Das sind Künstler, die nebenbei arbeiten, um ihre Miete zahlen zu können und um zu überleben. Und die eigentlich als Künstler Karriere machen wollen. Das genaue Gegenteil von Herrn Lehmann, der gerade das nicht tut. Darum ist es mir auch leicht gefallen, das Buch zu veröffentlichen, weil es nicht viel mit meiner Person zu tun hat. Außer ein paar Schrullen von Herrn Lehmann vielleicht.

An Herrn Lehmanns 30. Geburtstag, dem 9. November 1989, fällt die Mauer. Was haben Sie an Ihrem 30. Geburtstag gemacht?

1991 bin ich 30 geworden. Ich habe am 1.1. Geburtstag, darum war ich bestimmt auf einer Silvesterparty. Es gab nichts so Spektakuläres wie den Mauerfall. Es war Silvester, das reicht.

Wenn man Herrn Lehmann im Film sprechen oder Sie aus dem Buch vorlesen hört, fragt man sich: Wie finden Sie eigentlich Loriot?

Er war bestimmt kein bewusstes Vorbild für meine Dialoge. Es ist aber eine Art von Humor, die mir sehr liegt. Er hat auch so etwas Skurriles, und Peinlichkeiten spielen eine große Rolle. Die Liebe zum Absurden ist auch sehr stark. Ich bin sehr für Loriot.