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DDR-Geschichte hautnah

14. Januar 2012

Das ehemalige Arbeitszimmer von Erich Mielke ist frisch saniert. Bis Ende 1989 war es die Zentrale der DDR-Geheimpolizei. Ihr Auftrag: Spionieren, unterdrücken, verfolgen. Jetzt erlebt man hier authentisch Geschichte.

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Büro von Stasi-Chef Erich Mielke (Foto: BStU)
Das Arbeitszimmer von Stasi-Chef MielkeBild: BStU

Der Teppich unter dem hellbraunen Schreibtisch ist rot. Leuchtend blau der Stuhl, auf dem der Stasi-Chef saß. Auch die bequem anmutenden Sessel in der anderen Ecke des Raumes strahlen in diesem Farbton. Erich Mielke, der von 1957 bis 1989 den Staatssicherheitsdienst der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) befehligte, arbeitete offensichtlich gerne in einer farbenfrohen Umgebung. In seinem Kopf hingegen gab es nur Schwarz-Weiß-Denken. "Feind ist, wer anders denkt" – der Titel für eine aktuelle Ausstellung in Mielkes ehemaligem Reich dokumentiert den Allmachtsanspruch der Stasi.

Bürgerrechtler retten Akten, aber auch Möbel

Erich Mielke in einer Aufnahme von 1987 (Foto: dpa)
Erich Mielke 1987Bild: picture alliance / dpa

Als mutige Frauen und Männer am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale im Berliner Bezirk Lichtenberg stürmten, bewahrten sie Millionen Akten vor der Vernichtung und auch wichtige Teile des Mobiliars in Haus 1, wo Mielke residierte. Den Bürgerrechtlern ist es zu verdanken, dass der authentische Ort schon kurz nach der friedlichen Revolution eine Gedenkstätte wurde. Betreiber dieses ersten privaten Stasi-Museums war von Anfang an die "Antistalinistische Aktion" (ASTAK). Mit Ausstellungen, Veröffentlichungen und Zeitzeugen-Veranstaltungen hält die private Initiative seit nunmehr 22 Jahren die Erinnerung an das unselige Wirken der Stasi wach.

Das Herzstück, Mielkes Büro und seine angrenzenden Diensträume, war vorübergehend unzugänglich. Der bauliche Zustand spielte dabei eine Rolle, aber auch der Streit zwischen der ASTAK und den staatlichen Stellen. Als Teil der Gedenkstättenkonzeption des Bundes sollte der historische Ort in öffentliche Trägerschaft überführt werden. Das ist nunmehr geschehen, nachdem sich die Retter der originalen Einrichtung im Haus 1 der Stasi-Zentrale lange Zeit übergangen gefühlt hatten. Am Ende hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt: "Um der Bedeutung der Bürgerrechtsinitiativen und Opferverbände für die friedliche Revolution Rechnung zu tragen, soll Haus 1 auch weiterhin von diesen genutzt werden können." So steht es schon 2008 in einem Papier des Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann. Und so wird es jetzt auch umgesetzt.

Haus 1 wurde denkmalgerecht saniert

Das Haus 1 der Stasi-Zentrale, fotografiert aus der Vogesperspektive im Jahre 1973. (Foto: BStU)
Der Eingangsbereich des Hauses 1 der Stasi-ZentraleBild: BStU

Der Staat ist in Vorleistung getreten und hat rund elf Millionen Euro in die Sanierung des Gebäudes investiert, um es dauerhaft nutzbar zu machen. Das undichte Dach wurde erneuert, Wände und Decken wurden gedämmt, barrierefreie Zugänge gebaut. Herausgekommen ist ein technisch modernes Haus 1, dessen historisches Aussehen weitestgehend erhalten geblieben ist. Dafür sorgten schon die Denkmalschützer. Neben Mielkes Arbeitszimmer ist eine original erhaltene Telefonanlage zu sehen mit einem rotem Alarmknopf und einer Direktleitung zum "ZK" (Zentralkomitee der DDR-Staatspartei SED).

Das meiste Inventar sieht unauffällig aus und hat es so tausendfach in volkseigenen Betrieben (VEB) gegeben. In den Büros stehen elektrische Schreibmaschinen aus DDR-Produktion, Typ "Robotron 202". Der große TV-Apparat hingegen, in dem Mielke bestimmt auch das West-Fernsehen geguckt hat, stammt vom niederländischen Hersteller "Philips". Für den gewöhnlichen DDR-Bürger war ein solches Gerät unerschwinglich. Auf westliche Betrachter hätte der dunkelbraun furnierte Kasten schon im Jahr des Berliner Mauerfalls 1989 wie ein Museumsstück gewirkt.

Auf der Landkarte steht "Westberlin"

Besprechungssaal der ehemaligen Stasi-Zentrale (Foto: ASTAK / John Steer)
Der Sitzungssaal, links an der Wand die große LandkarteBild: ASTAK / John Steer

Und um ein inzwischen saniertes Museum handelt es sich ja tatsächlich. Beim Rundgang kann auch der große Konferenzsaal besichtigt werden, in dem Stasi-Chef Mielke und seine Generäle die Lage erörterten. Ein langgezogener Raum, in dessen Mitte eine Tischreihe steht mit jeweils acht rostbraun bezogenen Stühlen links und rechts. An der Stirnseite drei gleichartige Sitzmöbel. Der Platz in der Mitte dürfte für Mielke reserviert gewesen sein. Von hier aus konnte er bei Bedarf einen Blick auf die Landkarte zu seiner Rechten werfen. Zu sehen ist das Gebiet der DDR mit dem kleinen Flecken Feindesland mittendrin: "Westberlin", der kapitalistische Stachel im sozialistischen Fleisch. Auch dort wurden Menschen bespitzelt, vor allem aber in der DDR selbst.

Roland Jahn träumt von "Campus der Demokratie"

Typische Schicksale sind in der jetzt zu sehenden Ausstellung dargestellt. Zu den bekannten Fällen gehört die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Den Protest gegen dieses Vorgehen der ostdeutschen Diktatur, und damit der automatisch beteiligten Stasi, bezahlte die systemkritische Studentin und Künstlerin Gabriele Stötzer mit einem Jahr Haft wegen "Staatsverleumdung". Auch die Bespitzelung Roland Jahns ist dokumentiert. Der 58-Jährige wurde 2011 vom Bundestag als Nachfolger von Joachim Gauck und Marianne Birthler zum dritten Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt.

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Roland Jahn (Foto: Sören Stache / dpa)
Erst Stasi-Opfer, jetzt Hüter der Stasi-Akten: Roland JahnBild: picture alliance/dpa

Jahn hat Großes vor mit dem einstigen Ort des Schreckens, der jetzt ein Ort der Geschichte und der politischen Bildung ist. Von einem "Campus der Demokratie" träumt der aus Jena in Thüringen stammende ehemalige Journalist. Das 1961 errichtete Haus und die zahlreichen Nebengebäude seien besonders geeignet, Geschichte erfahrbar zu machen. "Je besser wir Diktatur begreifen, desto besser können wir Demokratie gestalten", sagte Jahn unter dem Eindruck des sanierten Stasi-Museums.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz