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Ägyptens Nicht-Islamisten

Matthias Sailer11. Juli 2013

Bisher hält die Einigkeit der ägyptischen Nicht-Islamisten. Doch die Konflikte zwischen Sympathisanten des Mubarak-Regimes und liberalen Revolutionären bleiben ein ständiges Problem.

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Tahir Platz 07.07.2013 (Foto: afp)
Bild: Mohamed El-Shahed/AFP/Getty Images

Seitdem am 03.07.2013 die Muslimbrüder gestürzt wurden, ist Ägyptens nicht-islamistische Opposition im politischen Aufwind. Mit Mohammed ElBaradei stellt sie jetzt den Vizepräsidenten des vom Militär eingesetzten Präsidenten. Und zumindest bisher hält die mühsam errungene Einigkeit der vielen nicht-islamistischen politischen Parteien und Gruppen.

Die Lehre aus 2012

Niemand hat die Niederlage im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2012 vergessen. Hätten sie sich damals alle auf einen Kandidaten geeinigt, wären die Muslimbrüder vermutlich nie an die Macht gekommen. Auch die Tamarod-Kampagne, die am 30. Juni Millionen von Ägyptern auf die Straße brachte, ist Ausdruck dieser politischen Einigkeit. Laut Mohamed Doss, einem der Gründer der Kampagne, kommen die meisten Tamarod-Organisatoren aus eben diesen politischen Parteien und Gruppen.

Doch nun, da Mohammed Mursi abgesetzt ist, wird es zunehmend schwieriger, diese Einigkeit aufrecht zu halten. Ziad El-Alemi, Mitbegründer der ägyptischen Sozialdemokraten und ehemaliges Parlamentsmitglied, ist jedoch optimistisch: "Während der vergangenen zweieinhalb Jahre haben all die Revolutionäre und zivilen Kräfte in Ägypten viel Erfahrung hinzugewonnen. Also wie man auf der Straße arbeitet und auch wie man zu Kompromissen findet. Ich denke, dass das all diesen Gruppen helfen wird, sich zu einigen, um einen gemäßigten Staat aufzubauen."

Revolutionäre versus Sympathisanten des Mubarak-Regimes

Eine der zentralen Herausforderungen für die nicht-islamistischen Parteien ist die Zusammenarbeit mit einstigen Anhängern des Mubarak-Regimes. Viele der Demonstranten, die am 30. Juni auf die Straße gingen, waren früher Unterstützer des Diktators. Es ist fraglich, ob der Islamist Mursi ohne ihre Mitwirkung so schnell gestürzt worden wäre. Vor allem die jungen Revolutionäre der ersten Revolutionswelle 2011 tun sich jedoch schwer, sich mit Mubaraks Männern anzufreunden. Sie mussten unter den zum Teil nach wie vor aktiven Mitgliedern des Sicherheitsapparates viel Gewalt und Brutalität ertragen.

Ziad El-Alemi: Mitbegründer der ägyptischen sozialdemokratischen Partei (Foto: Matthias Sailer)
Mitbegründer der ägyptischen sozialdemokratischen Partei: Ziad El-AlemiBild: Matthias Sailer

Für diese jungen Revolutionäre wirkt es geradezu absurd, wenn sich nun Militär, Polizisten und Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in den Armen liegen. Viele der Revolutionäre treten für die Achtung der Menschenrechte und für echte Reformen der politischen Institutionen ein. Politische Kompromisse mit den alten Kräften fallen ihnen schwer.

"Wir können den Hass zwischen Revolutionären und Vertretern des alten Regimes nicht loswerden, wenn wir nicht für echte Gerechtigkeit sorgen", sagt Ziad El-Alemi. "Das wichtigste, was wir in den beiden vergangenen Jahren gelernt haben, ist folgendes: Man kann keinen Neubeginn für die Zukunft machen, ohne die Vergangenheit vollständig abgeschlossen zu haben."

Schwierige Versöhnung

El-Alemi misst der Aufarbeitung der Vergangenheit daher sehr große Bedeutung zu. Doch kurzfristig dürfte das die dreifache Versöhnung erschweren: Schließlich gilt es sich auszusöhnen mit Anhängern des Mubarak-Regimes, des Militärregimes und irgendwann auch mit denen des Regimes der Muslimbrüder.

Im Lager der nicht-islamistischen politischen Parteien sind dieses Konflikte schon jetzt deutlich zu sehen und zu spüren, wie das Beispiel der jüngst vom Militärrat herausgegebenen Verfassungserklärung zeigt. Ziad Abdel Tawab, stellvertretender Direktor des Cairo Institute For Human Rights Studies, bestätigt dies: "Wir haben gesehen, dass die wichtigsten Gruppen, die den Aufstand vom 30. Juni initiiert haben, vom Entscheidungsprozess zur Ernennung des Premierministers ausgeschlossen wurden. Auch hatten sie keine Möglichkeit, ihre Rechte und Vorstellungen in die Verfassungserklärung einfließen zu lassen."

Erste Konflikte mit dem neuen Präsidenten

Während das die Anhänger des Sicherheitsapparates wenig störte, war der Aufschrei vieler Liberaler groß. Zunächst lehnten die in der Nationalen Rettungsfront (NRF) zusammengefassten nicht-islamistischen Parteien die Erklärung vollständig ab. Doch nach der Zusicherung von Präsident Adli Mansur, eine Änderung des Dokuments zuzulassen, ruderte man zurück. Inzwischen weist die NRF offiziell nur noch Teile der Verfassungserklärung zurück.

Sozialdemokrat Ziad El-Alemi relativiert jedoch diesen ersten Konflikt zwischen Präsident und Parteien: "Der Präsident ist erst seit vier Tagen im Amt. Es ist daher zu früh, um die Zusammenarbeit der Parteien mit dem Präsidenten zu beurteilen. Wir können noch nicht sagen, ob es seine Einstellung ist, nicht zu kooperieren, oder ob es nur ein Anfängerfehler ist."

Verhältnis zu den Islamisten

Auch die Frage, wie sehr man den Islamisten entgegenkommen soll, ist ein Streitpunkt. Die Verfassungserklärung zeigt klar, dass ihre Autoren versucht haben, es den Salafisten recht zu machen. Auch die Ernennung von Hasem al-Beblawi, einem anerkannten Ökonom, zum Premierminister, kann man als ein Entgegenkommen des Militärs an die Islamisten interpretieren. Anders als Mohamed ElBaradei ist er ein weit weniger polarisierender Kandidat.

All diese Konfliktherde führen unter den nicht-islamistischen Parteien zu großen Spannungen. Sie unter Kontrolle zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe.