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Politik

"Herausforderung für Irans Machtapparat"

13. April 2017

Mahmud Ahmadinedschad kandidiert nun doch für die iranische Präsidentschaftswahl im Mai – gegen den Wunsch von Revolutionsführer Chamenei. Dieser Affront schade dem gesamten Regime, sagt Iran-Experte Bahman Nirumand.

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Iran Mahmud Ahmadinedschad Archiv
Bild: picture alliance/dpa/P. Foley

Ahmadinedschad will wieder Präsident des Iran werden

DW: Am 19. Mai finden im Iran Präsidentschaftswahlen statt. Jetzt hat sich jemand zurückgemeldet, von dem man das eigentlich nicht mehr erwartet hatte: Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl eingereicht. Warum wirft er seinen Hut nochmal in den Ring?

Bahman Nirumand: Eigentlich fragen sich das alle im Iran, denn Ahmadinedschad hatte 2016 bereits erklärt, dass er auf eine Kandidatur verzichten würde, und zwar weil ihm das der Oberste Revolutionsführer Chamenei geraten hatte. Ahmadinedschad hatte sich in den letzten Wochen für seinen langjährigen Stellvertreter Hamid Baghaei eingesetzt und ihn als Kandidaten vorgeschlagen. Doch auf einmal hat er sich jetzt selbst als Kandidat gemeldet. Das ist eine eindeutige Provokation gegenüber Chamenei.

Hat Mahmud Ahmadinedschad überhaupt eine realistische Chance für eine Wiederwahl?

Ich nehme an, dass der Wächterrat, der die Eignung der Kandidaten überprüft, seine Bewerbung ablehnen wird, genauso wie die Bewerbung Bagahies. Aber das ist für das Ansehen des Regimes insgesamt schon ziemlich schädlich, einen ehemaligen Staatspräsidenten als ungeeignet zu bezeichnen. Aber das wird man wahrscheinlich in Kauf nehmen.

Trotzdem ist dieser Schritt nicht wirklich verständlich. Er kandidiert, obwohl er damit rechnen muss, dass er aussortiert wird. Er schadet damit nicht nur sich, sondern auch dem Ansehen des Regimes. Er fällt auch seinem langjährigen Stellvertreter Baghaei in den Rücken, weil er nun – anstatt ihn zu unterstützen – selber kandidiert. Irgendwie scheint es bei diesem Schritt nur Verlierer zu geben. Warum macht Ahmadinedschad das trotzdem?

Irans Oberster Revolutionsführer Ali Chamenei
Revolutionsführer Chamenei dürfte über Ahmadinedschads Kandidatur nicht sonderlich erfreut gewesen seinBild: picture-alliance/AP Photo

Die Konservativen haben ihn über all die Jahre isoliert. Er war weg vom Fenster, er war nicht mehr auf der politischen Bühne. Ich habe das Gefühl, dass er sich rächen will. Chamenei hat er ja schon geschadet. Das hat es noch nie gegeben, dass der Oberste Revolutionsführer – sei es Chomeini oder Chamenei – irgendetwas empfohlen hat und jemand sich dem offen widersetzt. Ich glaube nicht, dass Ahmadinedschad damit rechnet, dass er zur Wahl zugelassen wird oder gar Aussichten hätte, die Wahl zu gewinnen. So unrealistisch ist er bestimmt nicht. Aber einen wirklich vernünftigen und logischen Grund, weshalb er diese Maßnahme jetzt getroffen hat, gibt es eigentlich nicht.

Zumindest die Provokation scheint ihm ja gelungen zu sein, denn seine Kandidatur hat ja durchaus für viel Wirbel im Iran gesorgt.

 Ja. Das ist ihm gelungen, und ich bin sehr gespannt darauf, wie Chamenei reagieren wird. Vermutlich wird er schweigen, denn alles was er dazu sagen kann, würde ihm selbst schaden. Die Frage ist, was das Ganze für eine Wirkung auf die Wahlen hat. Sicherlich wird Ahmadinedschad den Konservativen schaden. Denn immerhin hat er in der Provinz noch eine gewisse Anzahl von Anhängern. Er hat ja unter der Landbevölkerung viele Almosen verteilt, als er Staatspräsident war, und in gewissen Schichten der Bevölkerung ist er immer noch beliebt. Es kann auch sein, dass viele, die gegen das Regime sind, ihn unterstützen, weil er mit seiner Kandidatur im Grunde den ganzen Machtapparat herausfordert und weil er die ganzen Spielregeln missachtet. Er hat auch in den ganzen Vorträgen, die er in den letzten Wochen gehalten hat, immer wieder gesagt, dass er eine völlig neue Ordnung anstrebt, dass es nicht sein könne, dass das Volk nicht mitbestimmen darf. Er hat in letzter Zeit öfter provokative Äußerungen getan, die sich gegen die gesamte Staatsordnung richten. Deshalb ist es durchaus möglich, dass einige, die längst dem Staat den Rücken gekehrt haben, ihn unterstützen, um dem Regime zu schaden.

Sollte Ahmadinedschad doch zu den Wahlen zugelassen werden, würde er dann nicht indirekt auch dem amtierenden Präsidenten Rohani helfen – weil er ja dem großen konservativen Gegenkandidaten Raeissi möglicherweise entscheidende Stimmen wegnehmen würde?

Bahman Nirumand
Iran-Experte Bahman NirumandBild: picture-alliance/dpa-Zentralbild

Ich denke schon. Aber die Konservativen sind sich sowieso nicht ganz einig. Auch die Kandidatur von Raeissi ist nicht unumstritten, er wird noch nicht von allen Fraktionen der Konservativen unterstützt. Und würde Ahmadinedschad zugelassen werden, würden wahrscheinlich einige Stimmen bei den Konservativen verloren gehen. Dadurch hätte Rohani einen Vorteil. Aber das ist sicher kein erklärtes Ziel von Mahmud Ahmadinedschad.

Dennoch scheint die Zerrissenheit auf Seiten der Konservativen doch größer zu sein als bislang gedacht…

Das auf jeden Fall. Deshalb wird man vermutlich versuchen, einen Mantel des Schweigens über diese ganze Geschichte zu legen. Das wäre für die Konservativen sicher das Klügste, um jetzt keine Diskussionen auszulösen, die über Wochen bis zur Wahl dauern würden. Wie auch immer: Den Chancen Hassan Rohanis für eine Wiederwahl hat das Ganze nicht geschadet – im Gegenteil. Wenn es Verwirrungen innerhalb der Konservativen gibt, kann das nur zu seinen Gunsten sein.

Bahman Nirumand ist Publizist iranischer Herkunft und lebt in Berlin. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter einer politischen Biographie Ayatollah Chomeinis.

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik