Henry Moore: Ausstellung im Arp Museum Rolandseck
Er war einer der größten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn seine Skulpturen haben XXL-Format. Nun sind Hauptwerke von Henry Moore erstmals auch im Innern eines Museums zu sehen.
Liegende Attraktion am Rhein
Wie eine moderne Loreley blickt Henry Moores Skulptur "Reclining Figure" (Liegende) auf den Rhein und beobachtet die Fähre, die in zuverlässiger Regelmäßigkeit mit Fußgängern und Fahrzeugen von Bad Honnef nach Remagen-Rolandseck über den Fluss schippert und sie am Ufer wieder ausspuckt. Allerdings lagert diese Loreley auf keinem Felsen, sondern auf der Wiese vor dem Arp Museum Rolandseck.
Dialog von Kunst und Architektur
Vor genau zehn Jahren baute der US-amerikanische Stararchitekt Richard Meyer einen Erweiterungsbau für das Arp Museum Rolandseck. Ein Tunnel verbindet seitdem den historischen Bahnhof, der einen Teil der Sammlung beherbergt, mit dem Anbau. Ein perfekter Ort für diese Liegende von Henry Moore. Aufs Schönste kann der Blick vom Gewand der Figur hinüber zu den Gussspuren des Betons wandern.
Vom Bergmannssohn zum Bildhauer-Star
Der elfjährige Henry, Sohn eines Bergmanns, soll bereits schon gewusst haben, dass er Bildhauer wird. In der Schule sah er das Werk des Renaissance-Genies Michelangelo und entschied: So einer möchte ich auch werden. Mit 30 Jahren hatte er 1928 seine erste Einzelschau in London. Er sammelte Steine, Muscheln, Knochen und Holzstücke, die ihn zu abstrakten, naturnahen Plastiken inspirierten.
Knochen-Arbeit
Moore experimentierte nicht nur mit Formen sondern auch mit Farben und Material. Dieser Bronze-Riese besteht aus vier großen Teilen, die ebenso an Beckenknochen oder Kniegelenke erinnern wie auch an eine liegende Frau. Das Wechselspiel von Figürlichem und Abstraktion macht den Reiz des Mooreschen Kosmos aus, der umwandert und berührt werden will - was in der Ausstellung leider verboten ist.
TV-Liebling
So oft war kein Kunstwerk im Fernsehen zu sehen: In Bonn wurde 1979 vor dem damaligen Bundeskanzleramt Moores "Large Two Forms" aufgestellt. Fast jeder Fernsehaufsager in der alten Hauptstadt fand vor der Skulptur statt. Die Ausstellung "Vision. Creation. Obsession" im Arp Museum Rolandseck erstreckt sich über das gesamte Museum, das etwa 15 Autominuten vom alten Bundeskanzleramt entfernt liegt.
Frauen in der Vertikale
Unter Künstlern und Kennern gilt Henry Moore als einer der großen Form-Erfinder und als bedeutendster Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Seine wuchtigen Skulpturen stehen vor der UN in New York genauso wie vor zahlreichen öffentlichen Gebäuden in Deutschland. Seinen ersten Auftritt in Rolandseck hatte Moore vor genau 40 Jahren. Auch damals stand eine seiner großen Figuren als Leihgabe am Rhein.
Von Perry Green nach Rolandseck
Bundeskanzler Schmidt und Moore sollen sich damals während der Ausstellung im Museum Rolandseck kennengelernt haben. An diese glorreiche Vergangenheit knüpft die Schau an. Mit Schwerlastern wurden die Skulpturen vom kleinen Örtchen Perry Green in England, dem Sitz der Henry Moore-Stiftung, nach Deutschland transportiert. Im Museumsgarten ist die monumentale Skulptur "Vertebrae" gelandet.
Wahlverwandtschaften
Moore war ein Kenner der Kunstgeschichte. Interesse hegte er unter anderem für die bildhauerischen Werke der Gotik. Er studierte die Beziehung zwischen Mutter und Kind wie hier in der Pietà von 1420. Die Nähe aber auch den Schmerz des Verlusts hielt er in seinen Zeichnungen fest. Die Vorliebe für den menschlichen Körper und seine Ausdrucksformen begleiten ihn sein ganzes Leben lang.
Geisterhafte Figuren
Höhlungen und Öffnungen kennzeichnen nicht nur seine liegenden, sondern auch seine aufrechten schlanken Skulpturen. Geprägt hat ihn seine Zeit als offizieller "Kriegskünstler", in der Moore die Bomben-Flüchtlinge in den Londoner U-Bahn-Schächten in grandiosen Zeichnungen festhielt. Aber auch den Skulpturen haftet etwas Geisterhaftes und Ausgemergeltes an, wie dieser Figur aus dem Jahr 1951.
Rendezvous alter Freunde
Der Surrealist Hans Arp und Henry Moore lernten sich in den 1930er Jahren kennen. Sie besuchten sich gegenseitig in ihren Ateliers. Arp kam nach London und Moore reiste nach Meudon bei Paris, wo Arp arbeitete. 1936 stellten sie gemeinsam in der Londoner Surrealisten-Schau aus. Die Ausstellung stellt die Werke gegenüber: Wo Arp in die Abstraktion driftete, blieb Moore dem menschlichen Körper treu.