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Heilsamer Druck

Baha Güngör7. Januar 2003

In der Zypern-Frage übt Ankara jetzt Druck aus: Und zwar auf den Führer der Zyperntürken, Rauf Denktasch, der sich einer Föderation widersetzt. Das sei genau der richtige Weg, findet Baha Güngör in seinem Kommentar.

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Die Mentalitäten ändern sich langsam - immer mehr der rund 200.000 Bewohner der international nur von der Türkei anerkannten nordzyprischen Türkenrepublik sehen inzwischen ihr Wohl in einer Konfliktlösung, anstatt einer Zementierung der Teilung der Mittelmeerinsel. Aber das betrifft nicht alle: In der Türkei ebenso wie in Nordzypern gibt es immer noch viele Politiker vor allem der älteren Generation, die vor einer Annahme des Lösungsvorschlags des UN-Generalsekretärs Kofi Annan warnen. Sie sind weiterhin davon überzeugt, dass mit der Bildung eines Bundesstaates mit zwei weitgehend autonomen Regionen die Zyperntürken nicht nur zu einer sogenannten "ungeschützten Minderheit" degradiert, sondern auch Mord und Totschlag sowie Massakern schutzlos ausgesetzt sein würden.

Doch mit solchen Schreckgespinsten muss endlich Schluss sein! Griechenland, das sogenannte "Mutterland" der Zyperngriechen, ist längst nicht mehr ein von einer Obristenjunta unterjochtes Land. Vielmehr ist Griechenland als EU- und NATO-Mitglied fest in die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Strukturen des Westens integriert. Wer immer noch glaubt, die Inselgriechen warteten nur darauf, ihre türkischen Nachbarn zu vernichten, der könnte auch daran glauben, dass morgen Deutschland noch einmal im Morgengrauen in Polen einmarschieren wird. Ebenso ist die Türkei inzwischen ein Land mit Ambitionen auf EU-Beitritt und mit enormer Bedeutung für Sicherheits- und andere zentrale Interessen Europas.

Nicht Pessimismus und Misstrauen, sondern Optimismus und Vertrauen sollte unter den jungen Menschen beider Seiten Zyperns gefördert werden, die inzwischen fast 30 Jahre alt geworden sind, aber nichts anderes als ein geteiltes Heimatland kennen. In den letzten Wochen mehren sich - unter diesem Gesichtspunkt betrachtet - die Stimmen der Vernunft sowohl in Athen als auch in Ankara.

Kein Wunder, dass derweil der Druck auf den zyperntürkischen Führer Rauf Denktasch wächst - nicht nur von der eigenen Bevölkerung, sondern von Ankara. Während Zehntausende Türken in Nordzypern eine Konfliktlösung fordern, kann sich Denktasch längst nicht mehr auf die schützende Hand des "Mutterlandes" verlassen. Die griechische Seite hingegen kann sich zurücklehnen und beruhigt auf den 28. Februar warten. Sollte nämlich bis dahin der Zypern-Konflikt nicht gelöst sein, will die EU nur den griechischen Teil als Vollmitglied aufnehmen.

Es ist inzwischen nicht mehr hilfreich, sich auf überholte Abkommen zu stützen und zu verlangen, dass Zypern in keine internationale Organisation aufgenommen werden darf, in der die Garantiemächte Türkei und Griechenland nicht ebenfalls Mitglieder sind. Die stetig wachsende Zahl von Zyperntürken, die sich einen griechischen Pass besorgen, beweist, dass es keine Alternative mehr zu einer endgültigen Konfliktlösung gibt.

Die Türkei weiß auch, dass eine ungelöster Zypern-Streit ein riesiges Hindernis bei ihren Bestrebungen bleiben wird, in die europäischen Integrationsprozesse einbezogen zu werden. Die Türkei weiß aber auch, dass mit militärischer Stärke inzwischen nicht mehr feindliche Nachbarländer bekämpft werden müssen, sondern der internationale Terrorismus sowie unverbesserliche Diktatoren. Weder Griechenland noch die Türkei sind Förderer des internationalen Terrorismus. Auch werden sie nicht von Diktatoren beherrscht. Was also spricht noch gegen ein vereintes Zypern in der EU? Der Wert der Worte der Vernunft kann nur an Ergebnissen und somit an Taten gemessen werden, nicht an Absichtserklärungen.