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Heiliger Geist im Bollerwagen

9. Mai 2002

Spirituell oder feucht-fröhlich? An diesem Tag kann "mann" sich nicht so recht entscheiden – denn an Christi Himmelfahrt wird in Deutschland traditionell auch der weltliche Vatertag gefeiert.

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Bierseliges Brauchtum in DeutschlandBild: AP

Trinkgelage und Sauftouren am Vatertag, dem Kirchenfest Christi Himmelfahrt, sind nichts Neues, sondern haben eine Jahrhunderte lange Tradition. Wie der Volkskundler Alois Döring vom Amt für rheinische Landeskunde des Landschaftsverbandes Rheinland mitteilte, waren nach christlich-katholischer Tradition an Christi-Himmelfahrt von alters her Flurprozessionen und Flurumritte üblich. Sie hätten aber bereits im 16. Jahrhundert ihren religiösen Sinn weitgehend verloren und seien häufig in Trinkgelagen geendet.

Kunterbuntes Brauchtum

Der Himmelfahrtstag ist verbunden mit vielen, teils ausgefallenen Bräuchen. Heiraten als Himmelfahrtskommando ist etwa im sächsischen Diesbar-Seußlitz bei Meißen das Motto. Heiratslustige können sich dort am Donnerstag symbolisch das Ja-Wort geben. Die Brautpaare werden auf dem traditionellen "Heiratsmarkt" durch einen "Jux-Pfarrer" vermählt. Trotz Ringe und Urkunde ist die Ehe aber nur bis Mitternacht gültig. Nüchtern betrachtet ist damit am nächsten Tag das große Glück wieder zerplatzt.

Bollerwagen auch für die ganze Familie

Doch der Vatertag wird inzwischen immer mehr zum Ausflug für die ganze Familie genutzt. Heute schließen sich den Vätern und Nicht-Vätern immer mehr Frauen an, die es sich auch nicht nehmen lassen, mit Bollerwagen und alkoholischen Stimmungsmachern um die Häuser zu ziehen.

Religiöser Ursprung gerät zunehmend in Vergessenheit

Christi Himmelfahrt ist in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag mit religiösen Wurzeln. Die ursprüngliche Tradition ist jedoch immer mehr in den Hintergrund geraten. Die Bibel berichtet über die Himmelfahrt Christi im Lukas-Evangelium und in der von Lukas verfassten Apostelgeschichte. Nachdem Jesus mit seinen Jüngern gesprochen hatte, heißt es dort, "wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken".

Heiliger Geist entschwindet

Drei oberbayerischen Pfarreien feiern Christi Himmelfahrt noch immer nach altem Brauch. In Anzing, Baumburg und Altenmarkt an der Alz entschwindet die aus Holz geschnitzte Christusfigur durch das so genannte Heilig-Geist-Loch in der Decke der Kirche. Im Rahmen eines Hochfestes begehen die drei Gemeinden den endgültigen Eintritt der menschlichen Natur Jesu in den Himmel am 40. Tag nach seiner Auferstehung mit eigens gestalteten Andachten.

Die Frauen waren's ...

Der Vatertag ist, genau wie einst der Muttertag, von einer US-Amerikanerin "erfunden" worden. Louisa Dodd regte 1910 einen Tag zur Ehrung der Väter an. In Europa hätten in den 30er Jahren niederländische Zigarrenfabrikanten und Metzger begonnen, den Vatertag als Gegenstück zum etablierten Muttertag zu propagieren, berichtet der Volkskundler Döring. Auch in Deutschland habe sich die Sitte dann immer mehr verbreitet. Bald schon hätten auch Junggesellen den Vatertag für sich in Anspruch genommen - "sozusagen als Möchtegern-Väter". (pf)