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Heißer Empfang an der Themse

Oliver Heidrich25. November 2003

Der britischen Monarchie stehen schwierige Gäste ins Haus. Die Untertanen machen derweil mobil, um George W. Bush ihrerseits einen unvergesslichen Empfang zu bereiten.

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Ob Bush und seine Frau an der Themse Grund zum Jubeln haben?Bild: AP

Mit vergleichbaren protokollarischen Ehren ist zuletzt 1918 der damalige US-Präsident Woodrow Wilson in London empfangen worden. Fraglich ist dennoch, ob der Staatsbesuch für George W. Bush und Gattin Laura in London so bequem wird wie das gemachte Bett im Buckingham Palace. Auch die Sicherheitsmaßnahmen haben feudales Format: Dem Vernehmen nach wurden geschätzte 19 Millionen Pfund investiert, um London anlässlich der dreitägigen präsidialen Visite in eine Festung zu verwandeln. Zehntausende erwartete Demonstranten müssen von einem immensen Polizeiaufgebot im Zaum gehalten werden. Soweit zu den beeindruckenden Superlativen.

Über Sinn und Unsinn des Staatsempfangs findet in den britischen Medien eine intensive Diskussion statt. Während ein Kolumnist in der Times forderte, den amerikanischen Präsidenten als Freund zu empfangen, stellte der ehemalige Außenminister Robin Cook im Independent die Frage, wodurch der enorme Aufwand zu rechtfertigen sei. Gemessen an der Unterstützung, die Tony Blair dem amerikanischen Präsidenten bereits seit langem zuteil werden lässt, habe man herzlich wenig an Gegenleistung erhalten. Darüber hinaus zeichnete Cook ein pessimistisches Bild vom bevorstehenden Staatsbesuch. Es gehe Bush demnach nicht darum, Großbritannien ein politisches Geschenk zu machen, sondern selbst Punkte für den Wahlkampf zu sammeln. Damit entstünde ein Eindruck vom Besuch des Chefs beim Untergebenen.

Empörung bei der Presse

Daily Mirror: Titelseite, Chicken George
Die Titelseite des Daily Mirror vom 17. November 2003

Zuhörerschaft und Gesprächspartner für den mächtigsten Mann der Welt werden dieser Tage mit der Pinzette ausgewählt. Eine ursprünglich geplante Ansprache von Bush vor beiden Häusern des britischen Parlaments findet kurzerhand nicht statt. Womöglich wollen die PR-Strategen im Weißen Haus nicht an den Auftritt vor australischen Abgeordneten im Oktober 2003 anknüpfen. In Canberra hatten zwei Senatoren die Rede Bushs wiederholt mit herber Kritik unterbrochen. Da auf den britischen Inseln der Freiheit des Wortes sowie den Parlamentsdebatten ein hoher Stellenwert beigemessen wird, mokieren sich Teile der berüchtigten Boulevardpresse über den Rückzieher mit dem Vorwurf, Bush sei ein Feigling.

Demonstranten planen, ähnlich dem symbolträchtigen Vorgang in Bagdad, auf dem Trafalgar Square eine Bush-Statue zu stürzen. Doch nicht nur mit Vorwürfen der Kriegsgegner aus allen Lagern hat der hohe Besuch zu rechnen. Hinter dem pompösen Rahmen lugt auf britischer Seite der Wunsch hervor, vom starken Partner für die beispiellose Treue während des Irak-Feldzuges entlohnt zu werden. Gründe dafür hätte der amerikanische Präsident genug: Wie George W. Bush im Interview mit dem britischen Massenblatt Sun immerhin betonte, sei er stolz auf die angloamerikanische Allianz und könne sich, anders als bei anderen Partnern, auf den britischen Premier wirklich verlassen.

Gala oder Gau?

Da die Mehrheit der Briten nicht gut zu sprechen ist auf Bush, wäre dieser gut beraten, nicht mit leeren Händen aus der Air Force One zu steigen. Immerhin halten laut einer Umfrage 37 Prozent George W. Bush für dumm, 60 Prozent sehen in ihm gar eine Bedrohung des Weltfriedens. Einen möglichen Ansatzpunkt für Verhandlungen mit dem Gast aus Übersee sieht Blair offenbar auf wirtschaftlicher Ebene. Die im März 2002 verhängten Importzölle für Stahl stehen auch britischen Interessen im Wege. Erreicht der britische Premier allerdings keine Zugeständnisse, könnte aus dem feierlichen Zeremoniell unversehens eine Belastungsprobe des Bündnisses werden.