1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Headhunter auf der Pirsch

Alexander Kudascheff21. Mai 2003

Noch lässt sich niemand wirklich in die Karten schauen, noch werden auf dem Basar der Spekulationen Namen nur hinter vorgehaltener Hand gemurmelt. Aber klar ist: Der Personalpoker in der europäischen Union ist eröffnet.

https://p.dw.com/p/3feB

Welche Posten sind eigentlich zu vergeben? Und nach welchen Kriterien wird in der EU von den bekannten headhunters, also den Staats- und Regierungschefs, entschieden? Gesucht wird: der Chef für die europäische Zentralbank, ein europäischer Außenminister, ein Präsident der Europäischen Kommission, ein Vorsitzender für den Europäischen Rat - und als Teil der personalpolitischen Gemengelage ein neuer NATO-Generalsekretär, ein Amt das traditionell den Europäer zusteht.

Also fünf Posten sind zu vergeben - und die Regeln lauten: es muss jemand aus einem großen Mitgliedsland und einem kleinen benannt werden; es müssen Kandidaten aus Nord und Süd dabei sein; Frauen werden auch mit Handkuss genommen, aber nicht bevorzugt; Länder, die lange nicht dran waren oder noch nie dran, müssen berücksichtigt werden , und natürlich muss das alte und das neue Europa dabei sein. Also: es handelt sich um ein schwieriges, vom Proporzdenken bestimmtes Glasperlenspiel.

Für die EZB steht eigentlich fest: es wird ein Franzose, Trichet, Chef der Nationalbank, aber er sitzt zur Zeit noch als Angeklagter vor Gericht. Wird er freigesprochen, bekommt er - und damit Frankreich einen Job, die Niederlande, die mit Duisenberg den Vorgänger stellten sind erst mal ganz aus dem Spiel - außer man suchte einen Kompromisskandidaten.

Fischer - oder nicht, oder wohl, oder doch?

Neuer europäischer Außenminister soll - es ist ja ein offenes Geheimnis - ein Deutscher werden - Joschka Fischer, Deutschlands populärster Politiker und amtierender Außenminister. Der Grund: zum einen ist Deutschland längst dran, hat seit Jahrzehnten in der EU niemand in einer Chefposition gehabt, zum anderen gilt Fischer als qualifiziert. Seine Chancen hängen daneben aber auch von der Art der Wahl ab: im Parlament sind seine Chancen schlechter als wenn er von den Staats- und Regierungschefs ernannt würde.

Fischer vertritt eins großes Land - also müsste der Kommissionspräsident aus einem kleinen kommen: z.B. aus Luxemburg. Premier Juncker gilt als hoch qualifiziert und ihm wird dieses Amt zugetraut. Aber: noch jemand aus dem deutsch-französischen Raum. Schon wieder ein Luxemburger? Und wäre er nicht eigentlich der bessere EZB-Präsident , wenn Trichet scheitert? Aber wer dann? Vielleicht endlich ein Schwede wie Premier Persson, der Österreicher Schüssel oder mal ein Portugiese? Für den Norden spricht, dass noch kein Skandinavier ein ganz hohes europäisches Amt bekleidet hat. Und sie wären - nachdem sie bald zehn Jahre -Mitglied in der EU sind, einfach mal dran.

Müssen die Neuen sich hinten anstellen?

Bleibt die Funktion des Ratspräsidenten oder -vorsitzenden: angeblich laufen Spaniens Premier Aznar und Tony Blair sich bereits für eine Kandidatur warm. Doch: beide waren für den Irakkrieg, sind sie deswegen noch mehrheitsfähig? Und: sie kommen aus großen Ländern - wie Fischer. Das spricht gegen sie. Das wäre ein Diktat der Großen. Und: ein Ja zum neuen Amt des Ratspräsidenten gibt es von den Kleinen nur, wenn sie es besetzen. Dann sind Blair und Aznar aus dem Spiel - und vielleicht der Däne Rasmussen oder der wieder gewählte belgische Premier Verhofstadt die Idealkandidaten? Oder doch Juncker? Wieder einmal?

Und wo bleiben eigentlich die Neuen? Haben sie überhaupt eine Chance? Oder müssen sie sich hinten anstellen? Die Esten, Tschechen, Litauer und Polen? Immerhin: Polens Präsident Kwasniewski gilt als ernsthafter Kandidat für den NATO-Chefposten. Dann wären die Neuen auch personell integriert, wenn auch nicht in der EU.

Alles ist noch unentschieden. Und kann ganz anders ausgehen. Setzt sich z.B. Blair für den Ratsposten durch, ist Fischer weg vom Fenster. Und vielleicht will man so die Engländer für die neue europäische Verfassung ködern, vielleicht sogar für den Euro gewinnen? All das ist möglich. Der Poker hat begonnen. Die Karten liegen allerdings noch nicht auf dem Tisch. Für Spannung ist also gesorgt.