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Hausaufgaben für Deutschland

Rolf Wenkel18. September 2003

Die Weltwirtschaft ist nach Ansicht des IWF auf Erholungskurs. Zugmaschinen sind Ost-Asien und die USA. Nur die Eurozone wächst kaum, Deutschland als einzige große Volkswirtschaft auch nicht.

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Es ist klar, dass die Opposition in Deutschland auf diese Ohrfeige des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus Dubai nur gewartet hat und sie zum Anlass nimmt, um parteipolitische Punkte zu sammeln: Die vom IWF für Deutschland ermittelten Wachstumsdaten für 2003 und 2004 seien das Ergebnis von fünf Jahren rot-grünem Murks in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, tönte postwendend ein Sprecher der bayerischen CSU. Die ehemalige Wachstumslokomotive Deutschland werde jetzt als Hemmschuh für das Wachstum in Europa gesehen - das sei ein glattes "Ungenügend" im Fünfjahres-Zeugnis der Regierung Schröder.

Schön, wenn man so einfach schwarz-weiß malen kann und auf Zwischentöne, die der IWF in Dubai durchaus hat anklingen lassen, keine Rücksicht zu nehmen braucht. Es ist richtig, dass Deutschland Reformdefizite hat, und es ist richtig, dass eine Volkswirtschaft mit strukturellen Fehlern externe Schocks - der IWF nennt das "geopolitische Unsicherheiten" - schlechter verkraftet als andere Volkswirtschaften. Und geopolitische Unsicherheiten hatten wir genug in der Vergangenheit: Der 11. September, der Irak-Krieg, die Lungenkrankheit SARS, der Niedergang der New Economy und damit einhergehend das weltweite Platzen der Börsenblase.

Kein Zweifel: Deutschland hat diese Schocks schlechter verkraftet als andere Länder, das ist abzulesen an den Wachstumsraten und an den Arbeitslosenzahlen. Umso wichtiger ist es, diese strukturellen Webfehler in der Wirtschaft zu beseitigen, Kapital- und Arbeitsmarkt zu reformieren, die Sozialsysteme auf eine solide Basis zu stellen, die Hemmnisse der Bürokratie zu beseitigen. Nichts anderes versucht die Bundesregierung mit ihren Reformpaketen. Und diese Reformbemühungen lobt der Internationale Währungsfonds auch ausdrücklich, er bezeichnet sie als die vielversprechendste Initiative seit langem in Europa, und in Teilen gehen sie dem IWF noch nicht weit genug. Es ist deshalb scheinheilig, der Regierung schlechte Noten für die Vergangenheit zu erteilen und gleichzeitig zu versuchen, Reformvorhaben politisch zu untergraben oder bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern. Das Gegenteil ist angebracht: Eine möglichst schnelle Umsetzung der Reformen auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheits- und Rentensystem, eine Verschlankung der Bürokratie.

Denn andernfalls zeigt sich die zweite Seite der externen Schocks. Bleibt eine Volkswirtschaft bei ihren strukturellen Defiziten, dann profitiert sie auch weniger von einem Aufschwung. Der Irak-Krieg ist zu Ende, die SARS-Krise ist ausgestanden, die Rohölpreise sinken, die USA betreiben eine stimulierende Steuerpolitik, Deutschland und Frankreich wollen die Steuern senken. Die Voraussetzungen für einen Aufschwung sind also gegeben, doch profitieren kann man davon nur, wenn man seine Wirtschaft auch fit gemacht hat für den Aufschwung.

Das Signal aus Dubai sollte man deshalb auch weniger als Ohrfeige für vergangene Versäumnisse deuten, sondern mehr als eine ausdrückliche Ermutigung, den Weg der Reformen noch konsequenter als bisher zu beschreiten. Und Eile tut not. Die USA sind zwar momentan die Wachstumslokomotive, aber sie erkaufen sich ihr Wachstum mit niedrigen Zinsen, riesigen Schulden und enormen Defiziten in der Handels- und Leistungsbilanz. Fällt diese Wachstumslokomotive aus, dann kann Europa diesen externen Schock nur verkraften, wenn es seine strukturellen Defizite durch mutige Reformen rechtzeitig beseitigt hat.