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Haus der ungeliebten Denkmäler

Esteban Engel (dpa)9. Juli 2015

Ein Berliner Museum plant eine Dauerausstellung mit hochpolitischen Steinresten. Preußen, Nazis, Sozialismus: Geschichte sei eben kein Wunschkonzert, sagt die Direktorin.

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Deutschland Denkmalmuseum in der Zitadelle-Spandau
Bild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Noch stehen sie eingedeckt in weißen Planen - wie bei einem Happening des Reichstagsverhüllers Christo: Die Marmorfiguren aus Berlins einstiger Siegesallee haben sich in der Zitadelle Spandau verschanzt. Hinter den Festungsmauern sollen sie demnächst enthüllt und Teil eines besonderen Museums werden, Bewohner eines Ortes für die Altlasten der Geschichte, wie Direktorin Andrea Theissen sagt.

Ins Rampenlicht rückt das Museum seit Berliner Kriminalbeamte Mitte Mai Kunstwerke aus Adolf Hitlers Neuer Reichskanzlei in einer Fabrikhalle in Rheinland-Pfalz entdeckten. Die Besitzverhältnisse beim Marmorfries des Hitler-Favoriten Arno Breker (1900-1991) und bei den gigantischen Bronzepferden des NS-Künstlers Josef Thorak (1889-1952) sind zwar noch ungeklärt. Doch Theissen könnte sich gut vorstellen, dass der Breker-Fries eines Tages auch hier ausgestellt wird - neben dem Lenin-Kopf und Preußens Urahnen aus der Siegesallee.

Berlin - Zitadelle Spandau
Hier lagern die alten Schätze - Zitadelle Spandau im Westen von BerlinBild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Vergraben und verwittert

Der gigantische Lenin-Kopf zierte zu DDR-Zeiten das Denkmal auf dem Leninplatz in Ostberlin. 1991 wurde das Granit-Monument abgerissen und in einem Wald vergraben. Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass der 3,5 Tonnen schwere Kopf des russischen Revolutionärs ausgegraben und in die Spandauer Zitadelle einziehen soll, konnte sich Theissen vor Anfragen kaum retten. So habe sich die brasilianische Zeitung "O Globo" in Spandau gemeldet - Folge eines Werbeeffekts, der Theissen zwar freut, aber auch etwas bedrängt und vor "Sensationshascherei" warnen lässt. Und der auf einem Missverständnis beruhen könnte. Denn Spandau verbinden viele mit dem NS-Fuktionär Rudolf Hess; Hitlers Stellvertreter saß bis zu seinem Selbstmord 1987 in Spandau hinter Gittern. Doch das Kriegsverbrecher-Gefängnis befand sich drei Kilometer von der Zitadelle entfernt und ist längst abgerissen.

"Enthüllt" - so wird die Dauerausstellung heißen, die noch in diesem Jahr rund 150 politisch motivierte Denkmäler zeigen soll, darunter den Lenin-Kopf aus der sozialistischen Ära und die Skulpturen aus der NS-Zeit. Kern der Ausstellung aber sind 80 noch erhaltene, zum Teil schwerbeschädigte Büsten und Standbilder aus der einstigen Siegesallee im Berliner Tiergarten.

Deutschland Wende Lenin Denkmal in Ost-Berlin Abriss
1991 demontiert und vergraben - Lenin-KopfBild: picture-alliance/dpa

Die Steingestalten wurden nur leicht restauriert, sie tragen noch die Spuren der Verwitterung und zeigen die Brüche der deutschen Geschichte - mit Absicht. Dem Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant und dem König Friedrich Wilhelm II. fehlt jeweils der Kopf, dem Brandenburgischen Markgrafen Otto II. der rechte Arm. Wie kaum eine Denkmalgruppe spiegelt sie die vergangenen 150 Jahre.

Reif fürs Museum

Die Figuren standen auf dem von Kaiser Wilhelm II. finanzierten Prachtboulevard. Der zog sich vom heutigen Platz der Republik vor dem Bundestag bis zum Kemperplatz an der heutigen Philharmonie hin. Die Berliner tauften die 750 Meter lange Flaniermeile in "Puppenallee" um, so entstand auch die Redewendung "bis in die Puppen". Im Sommer 1938 wichen die Figuren der geplanten Nord-Süd-Achse des "Germania"-Architekten Albert Speer. Die Nazis stellten die Standbilder und Büsten auf die Große Sternallee im Tiergarten. 1950 wurden sie auf Alliierten-Anordnung demontiert und 1954 neben dem Schloss Bellevue, dem heutigen Sitz des Bundespräsidenten, vergraben. Denn die Preußen wurden als geistige Wegbereiter des NS-Staates gesehen.

Berlin - Denkmalmuseum in der Zitadelle-Spandau
Bild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

1978 grub man die Figuren aus und brachte sie in einem ehemaligen Pumpwerk am Landwehrkanal unter. Nun stehen sie in Spandau. Dort sollen auch belastete Werke anderer Epochen ausgestellt werden, etwa Arno Brekers Plastik "Der Zehnkämpfer", geschaffen 1936 für das "Haus des Deutschen Sports" auf dem Olympiagelände. Und eben der Lenin-Kopf. "Geschichte ist kein Wunschkonzert", sagt Theissen zum Museumskonzept. "Wir müssen sie so akzeptieren, wie sie abgelaufen ist."