1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hauen, Stechen, Zetern

Angela Göpfert20. Mai 2007

Mit seiner Öffnung zur Linken hat Sarkozy die Sozialisten vor der Parlamentswahl weiter zermürbt. Dabei hätte der neue Präsident derlei strategische Spielchen gar nicht nötig: Für ihren Ruin sorgt die Linke schon selbst.

https://p.dw.com/p/AfUg
Ségolène Royal vor dem Rednerpult
Geht die Umarmungstaktik von Ségolène Royal auf?Bild: AP

So schnell kann es gehen. Eben noch im "Präsidententeam" von Ségolène Royal, jetzt Außenminister unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy: Bernard Kouchner, Gründer der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", Sozialist und einer der beliebtesten Politiker Frankreichs, ist einer der Profiteure der "Öffnungsinitiative" Sarkozys. Seine Partei, der Parti Socialiste (PS), könnte sich dagegen bei der Parlamentswahl, für die am Montag (21.5.) offiziell der Wahlkampf beginnt, noch als die große Leidtragende entpuppen.

Sarkozys plötzlicher Sinneswandel

Neuer Außenminister Bernard Kouchner und sein Vorgänger Philippe Douste-Blazy (Quelle: AP)
Gilt vielen Sozialisten als 'Verräter': Bernard Kouchner (links)Bild: AP

Mit diesem neuen Coup hat der Strategiekünstler "Speedy Sarkozy jedenfalls seinem Namen alle Ehre gemacht und - ganz fix - seine alte Strategie über den Haufen geworfen. Darauf weist der Zentrumspolitiker François Bayrou, der im Wahlkampf noch für die UDF antrat und jetzt Chef der neuen Partei Mouvement démocrate ist, hin: "Das was vor den Wahlen noch als Wahrheit verkauft wurde, scheint danach nicht mehr zu gelten."

Tatsächlich hatte Sarkozy noch im Wahlkampf Bayrous Vision von einer "Regierung der nationalen Einheit" als "Gefahr für die Demokratie" disqualifiziert. Ging es Sarkozy noch im Wahlkampf darum, einen Bayrou in der Stichwahl zu verhindern, scheint er es jetzt mehr auf die "Zermalmung der Linken bei der Parlamentswahl" abgesehen zu haben. Das vermutet zumindest die frühere sozialistische Ministerin Elisabeth Guigou. Auch Henrik Uterwedde, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg, meint im Gespräch mit DW-WORLD.DE: "Natürlich dient diese Strategie Sarkozys dazu, Unruhe in den Reihen der Sozialisten zu schaffen."

Sozialisten verlegen sich aufs Zetern

Diese Strategie scheint auf den ersten Blick auch aufzugehen. Hatten es die Sozialisten während des Präsidentschafts-Wahlkampfs noch geschafft, den Deckel auf ihre parteiinternen Konflikte zu halten, gelingt es ihnen das nach der Schlappe ihrer Kandidatin Ségolène Royal immer schlechter. Der Blick in den Kochtopf der parteiinternen Richtungsstreitereien offenbart Ungenießbares: Zwischen dem sozialdemokratischen Flügel um Dominique Strauss-Kahn und den Parteilinken um Expremierminister Laurent Fabius ist ein heftiger Grabenkampf entbrannt.

An den parteiinternen Zwistigkeiten sind aber nach Meinung von Frankreich-Experte Uterwedde nicht so sehr Sarkozys Strategiespielchen schuld, sondern vielmehr Fehler der PS in der Vergangenheit: "Die Erneuerung der Partei - programmatisch wie auch strategisch - ist fünf Jahre lang versäumt worden. Das kommt jetzt ans Tageslicht. Wenn die Sozialisten diese Parlamentswahlen verlieren werden, dann haben sie es sich weitgehend selbst zuzuschreiben."

Ist die Strategie der "pluralen Linken" nun passé?

In der Tat stehen die Chancen für den PS bei der Wahl zur Assemblée Nationale, die in zwei Runden am 10. und 17. Juni stattfinden wird, schlecht: Einer Studie des Instituts BVA zufolge kämen die Sozialisten auf gerade einmal 151 bis 200 Sitze, die konservative Regierungspartei UMP dagegen auf bis zu 380 Abgeordnete. Für eine absolute Mehrheit sind 289 der 577 Sitze erforderlich. Die Kommunisten könnten mit bis zu 21 Abgeordneten möglicherweise erneut in Fraktionsstärke im Unterhaus des Pariser Parlaments sitzen.

Richtig übel sieht es derweil für die Grünen aus: Sie dürften gerade einmal einen oder zwei Abgeordnete stellen. Wegen des auch für die Parlamentswahl geltenden Mehrheitswahlrechts in Frankreich sind die Klein- und Kleinst-Parteien auf Absprachen angewiesen. Grünen-Sprecher Yann Wehrling bedauerte aber unlängst, die PS sei nicht bereit, eine ausreichende Anzahl von Grünen-Kandidaten zu unterstützen und rücke damit von ihrer Strategie einer "pluralen Linken" ab.

Adieu Sozialisten bis 2012?

Prof. Dr. Henrik Uterwedde, stellvertretender Direktor des DFI
Prof. Dr. Henrik Uterwedde, stellvertretender Direktor des DFIBild: Deutsch-Französisches Institut

Damit entpuppen sich auch die Grünen als Leidtragende des Richtungsstreits in der sozialistischen Partei. Grüne und Kommunisten brächten einfach zu wenig auf die Waagschale, um die Linke in Frankreich mehrheitsfähig machen zu können, glaubt Frankreich-Experte Uterwedde. In der PS werden deshalb mittlerweile gar Absprachen mit Bayrous Mouvement démocrate und damit die Optionen eines Mitte-Links-Bündnisses offen diskutiert.

Sollten die Demoskopen Recht behalten, dürften die Sozialisten die für eine strategische Neuausrichtung nötige Zeit schon bald vom Wähler eingeräumt bekommen. "Sarkozys neue Regierung wird eine klare Mehrheit im Parlament bekommen. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung", glaubt Uterwedde und betont: "Der nächste Horizont für die Sozialisten ist 2012."