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Hat Lateinamerikas Linke ausgedient?

Astrid Prange23. Februar 2015

Der Traum ist aus. In der Region zeigen sich "progressive" Regierungen immer mehr von ihrer autoritären Seite. Die Suche nach alternativen Gesellschaftsmodellen ist zunehmend dem Streben nach Machterhalt gewichen.

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Venezuela Anhänger von Hugo Chavez
Bild: picture-alliance/dpa/S. Donaire

"Die Idee, dass Lateinamerika einen neuen Platz in der Weltwirtschaft erobert und eine neue Entwicklungsstrategie in Szene setzt, ist gescheitert“, erklärt Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, der zurzeit am Wilhelm und Alexander von Humboldt-Lehrstuhl in Mexiko lehrt. Die sogenannten progressiven Regierungen hätten es nicht geschafft, aus ihrem Umfeld heraus ein neues gemeinsames Paradigma zu schaffen. Maihold: "Das hat nicht geklappt, letztlich sind alle Länder eigene Wege gegangen".

Auch wenn die einzelnen Länder, jeweils unterschiedliche politische Wege gehen, Maihold hat in der Region eine "systematische Tendenz zur Verstetigung der jeweiligen Regierung an der Macht" ausgemacht. So löst in Uruguay am 1. März der 75-jährige Ex-Präsident Tabaré Vázquez den 80-jährigen José Mujica ab. "Das ist ein Generationsproblem, es treffen sich immer wieder dieselben Personen", sagt Maihold. Die Kontinuität in der Regierungsverwaltung und den Parteien habe zur Stagnation des linken Ansatzes geführt.

Sozialisten unter sich

Die "progressiven" Politiker setzen beim Regieren auffällig häufig auf personelle Kontinuität. In Bolivien ist der Anführer der sozialistischen bolivianischen Partei MAS, Evo Morales, seit 2006 Präsident. Sein Amtskollege Rafael Correa aus Ecuador zog ein Jahr später in den Regierungspalast ein und befindet sich mittlerweile in seiner dritten Amtszeit.

In Venezuela erfand Staatschef Hugo Chavez bereits 1999 den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Seit seinem Tod 2013 bemüht sich Nachfolger Nicolas Maduro, das politische Erbe fortzusetzen. Die Mitwirkung von Oppositionspolitikern ist dabei unerwünscht - wie die jüngste Festnahme eines der letzten verbliebenen Kritiker Maduros, nämlich des Bürgermeisters von Caracas, Antonio Ledezma, erneut deutlich gemacht hat.

Demonstration in Caracas Antonio Ledezma Venezuela (Foto: Cristian Hernandez / Anadolu Agency)
Caracas' Bürgermeister Antonio Ledezma wurde am 19.Februar festgenommen. Er soll einen Putsch geplant habenBild: picture-alliance/AA/C. Hernandez

Argentinien wird seit 2003 durchgehend von der Familie Kirchner regiert. Nach der Amtszeit von Ex-Präsident Néstor Kirchner wurde seine Frau Cristina Kirchner 2007 zur Nachfolgerin gewählt. "Nach der dritten beziehungsweise vierten Wiederwahl müssen sich die nun nicht mehr neuen progressiven Regierungen neben den sozioökonomischen Problemen auch den Forderungen nach mehr Partizipation und Transparenz stellen", befindet Dörte Wollrad, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Buenos Aires. Nach Jahren der Regierungsverantwortung sähen sich die Regierungen mit neuen Forderungen konfrontiert.

Weniger Armut, mehr Proteste

An Problemen mangelt es nicht. Argentinien kämpft mit Minuswachstum, steigender Arbeitslosigkeit sowie den Folgen seiner technischen Zahlungsunfähigkeit, die aus dem Streit mit Inhabern von argentinischen Schuldentiteln resultiert. Venezuela brechen aufgrund des sinkenden Ölpreises seine Staatseinnahmen weg, der Mangel an Devisen führt zu Versorgungsengpässen im Land. Brasilien stagniert. Uruguay, Bolivien und Ecuador hingegen zeigen stabile Wachstumsraten.

Dabei wurden die Regierungen Lateinamerikas noch bei der UN-Generalversammlung im September 2014 in New York für ihre erfolgreiche Armutsbekämpfung gelobt. Nach Angaben der Weltbank verringerte sich die extreme Armut in der Region zwischen 1990 und 2010 um die Hälfte: Rund 50 Millionen stiegen zwischen 2003 und 2011 in die untere Mittelschicht auf. Besonders erfolgreich bei der Bekämpfung der Armut waren die Länder Brasilien, Bolivien und Peru.

Uruguay - Präsident Jose Mujica und Boliviens Präsident Evo Morales
Sozialistisches Tandem: Uruguays scheidender Präsident José Mujica (li) und Boliviens Staatsoberhaupt Evo MoralesBild: picture-alliance/photoshoot/N. Celaya

Doch schon in seinem jüngsten Bericht zur menschlichen Entwicklung (Human Development Report 2014) warnte das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) davor, diese "Fortschritte als Selbstverständlichkeit zu betrachten": "Wir müssen uns fragen, ob die Verbesserungen sicher sind oder durch explodierende Nahrungsmittelpreise, Naturkatastrophen, Kriege und Finanzkrisen wieder rückgängig gemacht werden können", heißt es in dem Bericht.

Für den Experten Günther Maihold ist die Linke in Lateinamerika dennoch "mehr als eine Schönwetterveranstaltung, deren Konzepte nur funktionieren, wenn die Wirtschaft wächst". Es gebe auch Regierungen, die sich in der Krise gut gehalten hätten, zum Beispiel Ecuador, trotz sinkender Erdöleinnahmen. "Gescheitert ist eine regionale Überstimmung linker Konzepte", erklärt Maihold. "Es gibt keine lateinamerikanische, sondern nur lauter nationale Linke".