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Hartz-IV-Sätze für Kinder verfassungswidrig

27. Januar 2009

Die Hartz-IV-Leistungen für Kinder sind möglicherweise unzureichend. Das Bundessozialgericht in Kassel hält die Vorschriften für verfassungswidrig und legte sie dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

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Kind vor Plattenbau. Quelle: ap
Viele Kinder in Deutschland wachsen in Armut auf. Würden höhere Hartz-IV-Sätze helfen?Bild: dpa

Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt derzeit 351 Euro monatlich, zusätzlich Miete und Nebenkosten. Für jedes Kind gibt es bis zum 14.Geburtstag 211 Euro, für einen Jugendlichen 281. Damit entspricht das so genannte Sozialgeld für Kinder 60 Prozent der Hartz IV-Leistungen für alleinstehende Erwachsene. Jugendliche ab 14 Jahren bekommen schon jetzt 80 Prozent.

Das Bundessozialgericht kritisierte jetzt: In einer derart wichtigen Frage wie der Existenzsicherung hätte der Gesetzgeber den Bedarf von Kindern eigenständig ermitteln müssen. Den Betrag pauschal von jenem alleinstehender Erwachsener abzuleiten, verböten das Willkürverbot, die Menschenwürde, das Elternrecht und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, hieß es in dem Beschluss. Außerdem rügte das Bundessozialgericht, dass Kinder von Null bis 13 Jahren einheitlich 211 Euro bekommen, "ohne dabei weiter Altersstufen vorzusehen".

Was ist das Existenzminimum?

Bundesverfassungsgericht. Quelle: ap
Wer arbeitslos ist, dem soll geholfen werden. Aber wie viel Geld ist für Kinder nötig? Das Bundesverfassungsgericht muss das prüfenBild: AP

Viele Hartz-IV-Empfänger kritisieren, das Geld reiche nicht für die teuren Wünsche der Kinder. Die Idee von Hartz IV ist unter anderem, das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern. Darunter verstehen Juristen einen Betrag, der für eine Beteiligung am öffentlichen Leben reicht. Es genüge eben nicht, nur zu essen und Kleidung zu haben, auch Kino oder Volksfest müsse mal drin sein. Aber gehört der Hang eines jungen Mädchens nach Markenkleidung oder der Wunsch eines Teenagers nach einem Mobiltelefon zum Existenzminimum?

Die insgesamt fünf Kläger aus Dortmund und dem Landkreis Lindau am Bodensee erklärten vor dem Bundessozialgericht, dass die Regelleistung für Kinder das Existenzminimum nicht decke. Diese Frage ließ das Bundessozialgericht in seinem Beschluss ausdrücklich offen und verwies sie an das Bundesverfassungsgericht.

Kinder bekommen mehr Geld

Kinder vor Spielzeugladen. Quelle: ap
Viele Spielzeug-Wünsche der Kinder bleiben unerfüllt, wenn das Geld fehltBild: picture-alliance/dpa

Nach den Plänen der Bundesregierung ist eine Erhöhung der Kinderpauschale bereits vorgesehen: Mit Inkrafttreten des Konjunkturpakets II sollen Kinder von sieben bis 13 Jahren ab Juli 70 statt bislang 60 Prozent des Ecksatzes für alleinstehende Erwachsene bekommen. Das wären 246 Euro.

Deswegen sieht die Bundesregierung trotz des Beschlusses vom Bundessozialgericht keinen akuten Handlungsbedarf. Mit dem Konjunkturpaket würden die Sätze für genau diese Altersgruppe angehoben, sagte ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Er verwies auch auf die versprochenen zusätzlichen Leistungen aus den Schulbedarfspaketen für arme Kinder. Trotzdem werde man das Urteil noch genau prüfen, betonte der Sprecher.

Opposition will höhere Hartz-IV-Sätze

Archiv: Die Linkspartei fordert die Abschaffung von Hartz IV. Quelle: ap
Die Linke forderte auf ihren Parteitagen die Abschaffung von Hartz IVBild: picture-alliance/ dpa

Sozialverbände und die Opposition begrüßten die Entscheidung des Bundessozialgerichts. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, ihre Partei forderte seit langem eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene auf 420 Euro. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, verlangte, das zweite Konjunkturpaket in diesem Punkt nachzubessern.

Dabei hatte selbst das Bundessozialgericht in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass die Regelleistung für alleinstehende Erwachsene von derzeit 351 Euro monatlich ausreichend sei. Daran hielten die Kasseler Richter auch in ihrem neuen Urteil fest.

Jetzt wird das Bundesverfassungsgericht die Regelung der Kinder-Hartz IV-Sätze prüfen. Denn abgeschafft ist die aktuelle Regelung noch lange nicht. (ako)