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Hartes Ringen um Einfluss im Jemen

Kersten Knipp13. Juni 2015

Kurz vor den Genfer Friedensverhandlungen zum Jemen zeigen sich die Konfliktparteien wenig kompromissbereit. Die Konflikte sind komplex - und für die Beteiligten steht viel auf dem Spiel.

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Jemeniten nach saudischem Luftangriff (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Mohamed al-Sayaghi

Ein Versehen oder bewusste Provokation? Kurz vor Beginn der Friedensgespräche zum Jemen attackierten Flugzeuge der saudischen Luftwaffe die historische Altstadt von Sanaa. Dabei wurden nach jüngsten Angaben zehn Zivilisten getötet. Zugleich wurden mehrere Häuser der zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörenden Altstadt zerstört. UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova verurteilte den Angriff auf "eines der ältesten Juwelen" der islamischen Kultur. Sie appellierte an die Konfliktparteien, das jemenitische Kulturerbe zu respektieren und zu schützen.

Ob sich die kriegsführenden Parteien davon beeindrucken lassen, wird sich bei den von den Vereinten Nationen vermittelten Friedensgesprächen in Genf zeigen. Nach Angaben der UN wurde deren Beginn von Sonntag auf Montag verschoben. Einfach dürften die Verhandlungen nicht werden, erwartet Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dafür stünde für alle Beteiligten zu viel auf dem Spiel.

Die Interessen der Saudis

Ganz besonders werde es auf Saudi-Arabien ankommen, so Sons. Das Königreich, das die internationale, gegen die aufständischen Huthis gerichtete Operation "Sturm der Entschlossenheit" anführt, wolle im Jemen weiterhin Stärke zeigen. Die Angriffe im Jemen seien eine an viele Seiten gerichtete Botschaft.

Einerseits richteten sich die Saudis mit den Angriffen an die Adresse Teherans. Dort wolle man deutlich machen, dass man in der Lage sei, Einfluss auf die politische Entwicklung des Jemen zu nehmen. Auch wollten die Saudis zu verstehen geben, dass sie nicht gewillt seien, eine aus ihrer Sicht vom Iran unterstützte Gruppe wie die Huthis an die Macht kommen zu lassen.

Gleichzeitig wolle die Staatsführung auch der eigenen Bevölkerung gegenüber Stärke und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Vor allem aber seien die Angriffe auch eine deutliche Botschaft an die USA. "Denn die Amerikaner haben den Iran durch die Atomverhandlungen wieder zurück auf das internationale Parkett geführt. Die Saudis fürchten nun, zu Partnern zweiter Klasse zu werden", so Sons. "Das wollen sie vermeiden. Insofern wollen sie ihre Aktion im Jemen von den USA als Zeichen der Stärke verstanden wissen."

Saudische Kampfflugzeuge (Foto: AFP)
Im Jemen im Einsatz: Saudische KampfflugzeugeBild: AFP/Getty Images/F. Nureldine

Lokale und regionale Konflikte

Der Kampf im Jemen findet vor dem Hintergrund der großen Konflikte in Syrien und dem Irak statt. Beide Länder bilden die Bühne für eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitisch dominierten Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran. In diesem Ringen hat Riad gegenüber Teheran bislang den Kürzeren gezogen. Denn sowohl im Irak als auch in Syrien macht der Iran immer stärker seinen Einfluss geltend. Die Saudis befürchten, der Iran könnte über die - schiitischen - Huthis auch den Jemen in seinen Einflussbereich ziehen. Für die sunnitischen Staaten in der Region ist das eine alarmierende Entwicklung. Sie fürchten, ihren Einfluss in der Region mehr und mehr zu verlieren. "Der Iran weiß, wie er mit den arabischen Phobien spielen kann", schreibt die Zeitschrift Foreign Policy über die jüngsten Entwicklungen im alten Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten.

Dieser regionale Konflikt verschärft den lokalen. Zwar hätten die jemenitischen Konfliktparteien selbst in der Vergangenheit eine relativ große Dialogbereitschaft gezeigt und auch bewiesen, dass sie politische Kompromisse schließen könnten, sagt Sons. Die aber müsse man nun mit den Interessen der Saudis kombinieren. Das Königreich werde bei den Genfer Gesprächen auf Garantien drängen, vermutet der Politik- und Islamwissenschaftler: "Aus der Sicht Riads dürfen die Huthis, wenn überhaupt, nur in ganz kleinen Teilen an einer neuen Regierung beteiligt werden. Geschieht das nicht, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Saudis einem Friedensplan zustimmen werden."

Diese Forderung dürfte den Vorstellungen der Huthis diametral entgegenlaufen. Umso mehr komme es darauf an, sie in den politischen Prozess zu integrieren. "Genau das hat man in der Vergangenheit versäumt, und das ist der Grund dafür, dass die Huthis sich in den letzten Monaten militärisch engagiert haben", gibt Sons zu bedenken.

Sebastian Sons
Sebastian SonsBild: Deutsches Orient-Institut, Berlin

Al-Kaida als Nutznießer des Konflikts

Zudem werden in Genf die Interessen eines weiteren Spielers zum Tragen kommen: jene des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, der im Zuge des Aufstands von 2011 zurückgetreten ist. Er hat immer wieder erkennen lassen, dass er zurück in das verlorene Amt drängt. Zu einem politischen Kompromiss wird er darum nur schwer zu bewegen sein, erwartet Sons. Denn der könnte Saleh dazu zwingen, sich von seinen Ambitionen wieder zu trennen. Dazu dürfte er gerade angesichts der militärischen Erfolge der letzten Wochen aber kaum bereit sein: "Das ist zumindest kein gutes Zeichen für eine Beendigung des Konflikts oder zumindest die Aufnahme eines nationalen Dialogs, wie das in der Vergangenheit schon geschehen ist".

Profitiert hat von den Kämpfen der letzten Monate vor allem eine weitere Gruppe: Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP). Sie hat das Chaos dazu genutzt, ihren Einflussbereich auszuweiten. AQAP gilt als eine der aggressivsten Zellen des Al-Kaida-Netzwerkes. Saudi-Arabien müsste darum vor allem gegen die Dschihadisten kämpfen, erklärt Sons. Denn von ihnen gehe langfristig eine viel größere Gefahr aus als von den Huthis: "Und zwar nicht nur für Saudi-Arabien, sondern auch für den Jemen selbst."