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Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg

Günther Birkenstock9. Juli 2006

Seit über tausend Jahren ist Santiago de Compostela ein Ziel für Gläubige aus der ganzen Welt. Mit Charme, Witz und Blick für das Besondere erschließt sich der bekennende <i>couch potato</i> die fremden Regionen.

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"Ich bin dann mal weg". Betont schlicht kommt der Buchtitel daher, umgangssprachlich und etwas kumpelhaft. So wird gleich das große Unternehmen entglorifiziert, sich als Pilger auf den Jakobsweg zu begeben und auf die Suche zu machen nach religiösen Erlebnissen und Lebenserfahrungen. Der Inhalt folgt dem Stil des Titels: Hape Kerkeling erzählt eine persönliche und sehr unterhaltsame Geschichte, ohne Pathos, ohne Anbiederung und ohne Promi-Bekenntnisse.

Buchcover: Hape Kerkeling - Ich bin dann mal weg

Zunächst mal bin ich losgezogen mit der Frage im Kopf: Gibt es Gott? Und irgendwann habe ich mir gedacht, danach zu fragen, ist sinnlos, das ist verplemperte Zeit, tu ich doch mal so, als gäbe es ihn. Und irgendwann dachte ich mir, nach Gott zu suchen, ist ja auch irgendwie vermessen oder danach, was er eigentlich ist, also suche ich erst mal nach mir.

Abenteuer - in munterem Plauderton erzählt

In munterem Plauderton kommen Kerkelings Bekenntnisse daher. Er beobachtet viel und genau, erzählt von seinen vielfältigen Wanderbekanntschaften, von der ungewohnten Anstrengung, und ist zu Beginn seiner Reise davon überzeugt, dass er den beschwerlichen Weg sicher nicht bis zum Ende durchhalten wird.

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Jakobsmuschel als WegweiserBild: picture-alliance/dpa

Eigentlich wollt ich heute schön langsam starten, um mich an das Gewicht auf meinen Schultern und das Gehen mit dem Wanderstab gewöhnen. Pustekuchen. Bei dem Wetter will man nicht laufen, sondern bloß so schnell wie möglich ankommen. […] Ob die Gegend hier schön ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Vor lauter Regen und Nebel kann ich nichts, absolut nichts sehen. Das Foto in meinem farbigen Reiseführer zeigt eine märchenhaft verschneite Gebirgskulisse vor einem glühenden Sonnenuntergang und erklärt dieser Region zur magischsten Europas, die ich unbedingt mal gesehen haben sollte.

Die Übernachtungen in schäbigen Hotels mit miserabler Küche werden in Kerkelings Beschreibung zur Herausforderung - Abenteuer, die der hungrige und erschöpfte Wanderer nur mühsam, aber mit viel Witz und Charme besteht. Fußpilzverseuchte Unterkünfte für Pilgerer meidet er. Sich kasteien ist nicht seine Sache.

Autobiografische Einschübe

Recht unvermittelt unterbricht Kerkeling seine ironischen Schilderungen, um einen Blick zurück zu werfen: Erzählt, wie er immer schon beseelt war von dem Wunsch, ins Fernsehen zu kommen, wie er sich bei Rundfunkanstalten bewirbt, bei Kabarettwettbewerben glänzt und scheitert, und wie er die Komikerlegende Otto Waalkes kennen lernt, der sein großer Förderer wird und der ihn zum Promis-angucken in Hamburg mit auf feine Partys schleift. Ein freimütiger Blick in die Planungen und Zufälle einer steilen Karriere.

Dann folgt die Selbstermahnung, "sollte doch keine Autobiografie werden" und Kerkeling ist wieder auf dem Weg nach Santiago. Geschrieben habe er zunächst für sich selbst, sagt Hape Kerkeling. Die Idee daraus ein Buch zu machen, sei erst viel später entstanden.

Das, was ich da tu, ist natürlich Luxus. Ich habe mir fünf Wochen, sechs Wochen Zeit genommen. Das kann nicht jeder. Und ich habe mir dann irgendwann gedacht, gut, ich versuche, jetzt diese Erfahrung auch mit Menschen zu teilen, die das nicht können. Vielleicht bringt denen das was. Ziemlich simpel, aber so habe ich mir das gedacht.

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Hape KerkelingBild: picture-alliance/dpa

Gott und ich - wir sind uns jeden Tag begegnet

Nach sechs Wochen Marsch mit Unterbrechungen und Hilfe von Bus, Bahn und Autofahrern erreicht Hape Kerkeling das Ziel, hat Freundschaft geschlossen mit der Neuseeländerin Sheelagh und Anne aus Skandinavien, hat ausgiebig Land und Leute studiert, aufdringliche Schwatztanten und religiöse Eiferer erfolgreich abgehängt, und - das macht der Abschluss seiner Erzählreise deutlich - er hat gefunden, wonach er suchte.

Auf der Zugfahrt nach Hause formuliert er die Worte, um sein Gotteserlebnis in die richtige Form zu bringen: "Der Schöpfer wirft uns in die Luft, um uns am Ende überraschenderweise wieder aufzufangen", schreibt er. "Wenn ich es Revue passieren lasse, hat Gott mich auf dem Weg andauernd in die Luft geworfen und wieder aufgefangen. Wir sind uns jeden Tag begegnet."

Hape Kerkeling
Ich bin dann mal weg
Malik, 2006
ISBN 3-89029-312-3
EUR 19,90