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Handy statt Portemonnaie

Klaus Dahmann8. Juli 2012

Der Geldtransfer per Mobiltelefon ist zu einer alltäglichen Zahlungsweise geworden - gerade in den Entwicklungsländern. In Europa will die Deutsche Telekom nun mit einer neuen Technologie den Durchbruch schaffen.

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Handy vor Parkautomat (Foto: picture-alliance/dpa)
Bezahlen per HandyBild: picture-alliance/dpa

Marktstrategen haben den Zahlungsverkehr über Mobilfunkgeräte seit Jahren im Visier. Das Geschäft boomt: 2010 sind weltweit knapp 50 Milliarden Dollar per Handytastendruck geflossen, 2011 war es bereits mehr als das Doppelte. Und vorsichtige Prognosen des US-Technologiemarktforschers Gartner sagen für dieses Jahr noch einmal einen satten Anstieg voraus, auf über 170 Milliarden Dollar.

Boom in den Entwicklungsländern

Von den unterschiedlichen Technologien, die derzeit auf dem Markt sind, ist derzeit das Bezahlen per SMS die Nummer eins. Die größten Summen werden auf diese Weise in Afrika, im Nahen Osten und in Asien transferiert, wo Handys relativ weit verbreitet und Bankfilialen eher rar gesät sind. Besonders gut läuft der Geldverkehr per SMS in Kenia und auf den Philippinen.

Doch eine Goldgräberstimmung will so recht nicht aufkommen. In Nordamerika und Europa stockt das Geschäft, denn hier ist das Bezahlen per Handy nur eine Möglichkeit unter vielen. Weder Giro- und Kreditkarten noch Online-Banking haben es geschafft, Bargeld überflüssig zu machen. Und dennoch ist Volker Briegleb von der Computer-Zeitschrift c't sicher: "Mobiles Bezahlen - da geht ganz klar die Reise hin."

Kreditkarten in einem Portemonnaie (Foto: dpa)
Kreditkarten könnten bald der Vergangenheit angehörenBild: picture-alliance/dpa

Noch kein Durchbruch in westlichen Ländern

Eine geeignete Technologie scheint mittlerweile auch gefunden, die das Zeug hat, auch den letzten Skeptiker zu überzeugen: "Near Field Communication" heißt sie, kurz NFC. Und nachdem sich jenseits des Atlantiks erst Google und nun auch Microsoft daran gemacht haben, dieses Bezahlverfahren im großen Maßstab einzuführen, will die Deutsche Telekom im Bund mit dem Kreditkartenkonzern Mastercard den Durchbruch in Deutschland und Europa herbeiführen.

NFC funktioniert noch einfacher als das SMS-Verfahren: Im Mobiltelefon sind sämtliche Bankverbindungen wie Giro- und Kreditkartenkonten gespeichert, für die man bisher unterschiedliche Chipkarten braucht. Dieses Konzept nennt sich "mobile wallet", also "mobiles Portemonnaie". An der Kasse gibt man eine Sicherheitskennzahl ein, wählt aus, von welchem Konto man das Geld abbuchen lassen möchte, führt das Handy am Lesegerät vorbei - das war's. Beträge unter 25 Euro werden direkt abgebucht, bei höheren Summen muss man sicherheitshalber eine zweite Geheimnummer eingeben.

Zeigefinger tippt auf den Touchscreen eines Smartphones (Foto: AP)
Das Handy als "mobiles Portemonnaie"Bild: AP

Sicherheit garantiert?

Datenklau, Phishing, Kontenbetrug - jede Art von kriminellen Machenschaften sei ausgeschlossen, versichert Peter Vesco, der bei der Deutschen Telekom die Payment-Abteilung leitet. "Diese Technologie ist nach heutigem Kenntnisstand genauso sicher wie eine Zahlung mit einer Chipkarte." Und wenn dann das "mobile Portemonnaie" - sprich: das Handy - verloren geht? Dann muss man nicht alle Geldinstitute nacheinander abtelefonieren, vielmehr reicht ein Anruf bei der Telekom, und alle Karten sind gleichzeitig gesperrt.

Diese Argumente sollen überzeugen, zusammen mit den ersten praktischen Erfolgen bei Feldversuchen: Die Deutsche Bahn hat mit der NFC-Technologie in den vergangenen Monaten gute Erfahrungen gemacht, ebenso die Sparkassen. Und auch Mastercard hat vor einigen Monaten die ersten NFC-Lesegeräte in Deutschland aufgestellt, zunächst an einigen Tankstellen, dann bei einer Restaurantkette und den Filialen eines Einzelhandelskonzerns.

Smartphone, auf dessen Display die Meldung 'Ihre Konfiguration ist korrekt" angezeigt wird (Foto: picture-alliance/dpa)
Wie sicher ist das neue Bezahlsystem vor Hackerattacken?Bild: picture-alliance/dpa

NFC-Einführung nur schleppend

Die flächendeckende Markteinführung einer solchen Technologie braucht seine Zeit, weiß c't-Redakteur Briegleb: "Da wartet der eine immer auf den anderen. Der Handel zieht erst nach, wenn genug Handys beim Verbraucher sind. Und der Verbraucher sieht überhaupt keine Veranlassung, sich ein NFC-fähiges Handy zu kaufen, solange es noch keine Einsatzmöglichkeiten gibt. Schließlich sehen auch die Hersteller keine Veranlassung, solche Handys zu bauen." Das Marktforschungsunternehmen Gartner rechnet daher frühestens 2015 mit einem weltweiten Durchbruch dieses Bezahlsystems.

Es bedarf also eines Impulses, denkt man sich bei der Telekom. Weil nur ein kleiner Teil der Handys im derzeitigen Angebot eine NFC-fähige Speicherkarte besitzen, klebt der Konzern entsprechende Datenträger als Sticker auf die übrigen Modelle - eine "Brückentechnologie", wie es Peter Vesco ausdrückt.

Zwischenlösung notwendig

Weil diese Sticker unabhängig vom Handy funktionieren, könnte man sie eigentlich genauso gut auf Portmonnaies oder Schlüsseletuis befestigen. Vesco rät dennoch, das Handy zu nehmen: "Nach unseren Erhebungen haben 80 Prozent der Menschen ihr mobiles Endgerät immer dabei, deswegen ist das einfach empfehlenswert." Und schließlich sollen sich die Menschen schon einmal daran gewöhnen, beim Bezahlen das Handy zu zücken statt ihr "analoges" Portemonnaie.

NFC-Logo
Wo dieses Logo zu sehen ist, kann per NFC bezahlt werden

So hoch die "psychologische Hürde" auch sein mag, die Volker Briegleb bei den Verbrauchern in Deutschland sieht - die großen Konzerne drängen auf den Markt des mobilen Zahlungsverkehrs. "Für Größen wie Google, Microsoft und die Telekom ist er offenbar interessant genug, dass sie sich da aufstellen", sagt der Journalist. Denn auch wenn für die Anbieter pro Buchung nur geringe Gebühren abfallen - die Masse macht's.