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Hamas und Israel - zwei Erzfeinde unter sich

Tania Krämer, Jerusalem11. Juli 2014

Der Konflikt um Gaza geht weiter und die Zahl vor allem der palästinensischen Opfer steigt. Eine israelische Bodenoffensive ist nicht mehr auszuschließen. Beide Seiten haben ihre Gründe, den Konflikt weiter zu verfolgen.

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Menschen schwenken die Palästina-Flagge und die Israels (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Beharrlich bombardiert die israelische Luftwaffe den Gaza-Streifen. Allein innerhalb der vergangenen 24 Stunden habe man 210 Ziele beschossen, heißt es aus der Armeeführung. Seit Beginn der Operation "Zuk Eitan" ("Fels in der Brandung") starben nach UN-Angaben 58 Palästinenser und mehrere hundert Menschen, überwiegend Zivilisten, wurden verletzt. Ebenso beharrlich aber schießen auch die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, und die Militanten des Islamischen Dschihad ihre Raketen immer weiter in das israelische Staatsgebiet.

Bedrohung für Tel Aviv und Jerusalem

Fast täglich heulen Luftschutzsirenen in Tel Aviv und Jerusalem und erinnern die israelische Führung daran, dass die Hamas nun tatsächlich das Kernland erreichen kann. Eine Eskalation hatte sich angebahnt, seit im Juni drei israelische Jugendliche nahe einer Siedlung im israelisch-besetzten Westjordanland entführt wurden und die israelische Armee dort mit einer breit angelegten Militäroperation antwortete. Die Jugendlichen wurden Montag vergangener Woche (30.06.2014) ermordet aufgefunden. Israel macht die Hamas dafür verantwortlich. Die hat sich zu dieser Tat aber nicht bekannt. Nur zwei Tage später wurde ein palästinensischer Jugendlicher aus Ostjerusalem offenbar in einem Akt der Rache von jüdischen Extremisten ermordet. Seitdem spitzte sich die Lage immer mehr zu.

Raketenangriffe von Gaza auf Sderot (Foto:Ilia Yefimovich/Getty Images)
Bei den jüngsten gegenseitigen Raketenangriffen starben bereits Dutzende MenschenBild: Yefimovich/Getty Images

Mit den massiven Luftangriffen will Israel die Hamas offenbar soweit schwächen, dass sie langfristig nur schwer wieder aufrüsten kann. Bislang versucht Israel, mit Angriffen aus der Luft, von der See und Artilleriebeschuss vom Land, die militärische Infrastruktur der Hamas zu zerstören. Zur jetzigen Taktik gehört auch, militante Anführer gezielt zu töten und ihre Wohnhäuser zu zerstören. Doch es ist fraglich, ob Luftangriffe reichen, um diese Ziele zu erreichen. Deshalb erwägt Israel, auch Bodentruppen einzusetzen und hat bereits 20.000 Reservisten eingezogen. Doch trotz aller Drohungen von Premierminister Benjamin Netanjahu, "den Weg bis zum Ende zu gehen", zögert die Regierung, tatsächlich Bodentruppen in den Gaza-Streifen zu schicken. Einige Kabinettsmitglieder würden die Enklave dagegen gerne gleich ganz wieder besetzen.

Schwieriger Balanceakt

Für die israelische Regierung gilt es vor allem, die Abschreckung wiederherzustellen. Dass Raketen aus Gaza bis tief in das Land hinein fliegen, hat zwar das alltägliche Leben nicht all zu sehr beeinträchtigt, weil das israelische Abwehrsystem "Eiserne Kuppel" sie abfängt. Aber die Angriffe haben eine Urangst in vielen Israelis erweckt, verwundbarer zu sein, als sie dachten. Für Israel bleibt die Offensive gegen die Hamas aber auch ein Balanceakt. Denn schwächt man die Hamas zu sehr, wird es die Organisation schwer haben, sich nach einer Waffenruhe gegen die anderen militanten Gruppen durchzusetzen. Seit Ende der jüngsten Militäroffensive im November 2012 hatte Hamas dafür gesorgt, dass die - wenn auch oft brüchige - Waffenruhe eingehalten wird. Patrouillen rund um die Grenze hielten auch kleinere, oft noch radikalere militante Gruppen davon ab, Raketen abzufeuern.

Die Isolation des Gaza-Streifens und der Hamas hat sich seit dem Machtwechsel in Ägypten nochmals verschärft. Die neue ägyptische Regierung unter Abdel Fattah Al-Sisi zeigt der Hamas die kalte Schulter, gilt sie doch als Verbündete der gehassten Muslimbruderschaft. Ägyptische Sicherheitskräfte haben die vielen Tunnelanlagen zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten zerstört und damit auch den unterirdischen Wirtschaftszweig lahmgelegt. Statt günstiger Produkte aus Ägypten bekommen die Bewohner nun nur teure Produkte aus Israel, und Baumaterialien kommen nach Gaza nur sehr beschränkt über den israelischen Grenzübergang Kerem Shalom. Exporte sind nach wie vor kaum möglich. Auch der ägyptisch-palästinensische Grenzübergang in Rafah ist seit Monaten nur wenige Tage geöffnet gewesen. Den Grenzübergang Rafah regulär zu öffnen, ist eine zentrale Bedingung der Hamas für eine Waffenruhe.

Menschen in Israel, die sich vor den Raketenangriffen in Sicherheit bringen (Foto: REUTERS/Finbarr O'Reilly )
Menschen in Israel, die sich vor den Raketenangriffen in Sicherheit bringenBild: Reuters

Auch der Versöhnungsprozess zwischen Hamas und Fatah hat die Situation nicht verbessert. Anfang Juni hatten sie die neue Interimsregierung ernannt. Die Hamas hatte sich offiziell von der Regierungsverantwortung zurückgezogen, behielt aber de facto die Kontrolle im Gaza-Streifen. Sie hatte gehofft, dass die palästinensische Autonomiebehörde die Gehälter der rund 40.000 Beamten der alten Hamas-geführten Regierung zahlt. Aber obwohl Katar finanzielle Hilfe in Millionenhöhe zugesagt hat, sind die Kassen noch immer weitgehend leer.

Hoher Preis für die Zivilisten in Gaza

Raketenagriff auf Gaza-Stadt, 09.07.2014 (Foto: dpa)
Raketenangriff auf Gaza-StadtBild: picture-alliance/dpa

Es bleibt abzuwarten, ob die Hamas ihre politischen Forderungen durchsetzen kann, um zu einer Waffenruhe zurückzukehren. Mit der neuen Konfrontation könnte Hamas versuchen, ihrer stark gesunkenen Popularität wieder Auftrieb zu geben, spekulieren einige Beobachter. Ein weiteres Ziel könnte sein, die Palästinenser angesichts der gemeinsamen Bedrohung zu einen. Doch diese Hoffnungen wären gewagt, denn es ist nicht sicher, ob die Organisation aus dem Konflikt tatsächlich gestärkt hervorgehen wird. Die Bevölkerung in Gaza ist bereits zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren in einer Kriegssituation und steht keineswegs mehrheitlich hinter den Angriffen auf Israel. "Wir haben das alles schon mehrmals gesehen. Es wiederholt sich, die Menschen sind müde und bezahlen einen hohen Preis für die Situation", sagt ein Bewohner Gazas. Seit fast acht Jahren leidet die Bevölkerung unter der israelischen Blockadepolitik, die jede wirtschaftliche Entwicklung unmöglich macht. Die Arbeitslosigkeit ist seit dem Machtwechsel in Ägypten nochmals angestiegen. 65 Prozent der Menschen in Gaza sind jünger als 24 Jahre und die Arbeitslosigkeit in dem Sektor beträgt über 60 Prozent, so Zahlen der Vereinten Nationen.

Nach dem jüngsten Gaza-Krieg im November 2012 war die Popularität der Hamas gestiegen, aber nur für kurze Zeit. Dass sich die Situation der Menschen zunehmend verschlechtert, hat viele gegen die Hamas aufgebracht. Seit Beginn der Offensive sind ranghohe Hamas-Führer untergetaucht; angeblich suchen sie in unterirdischen Bunkern Schutz. Diese Option haben die restlichen 1,7 Millionen Bewohner des Gaza-Streifens nicht. Dennoch machen viele auch Israel für die Situation und den Konflikt verantwortlich. Die Angriffe werden von den meisten als Kollektivstrafe angesehen, ebenso wie die jahrelange Abriegelung.