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Haltung wahren

24. Januar 2003

Frankreich und Deutschland lehnen unisono einen Irak-Krieg ab. Prompt wurden beide für US-Verteidigungsminister Rumsfeld zum "Problem". Was sagt die europäische Presse? Stimmen vom Freitag, dem 24. Januar 2003.

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Internationale Presseschau

Europa bekomme den 'Schwarzen Peter' zugespielt, meint der niederländische konservative "Telegraaf": "Frankreich, Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder werden als dumm und naiv dargestellt. Die angebliche 'Vogel-Strauß-Politik' des 'alten' Europa weckt nach Darstellung von großen US-Fernsehsendern Erinnerungen an die dreißiger Jahre, als man Hitler auch in Ruhe ließ, bis es zu spät war. Es ist sehr einfach, Europa den 'Schwarzen Peter' zuzuspielen. In den Augen der meisten Amerikaner sind wir ohnehin viel zu tolerant und weich, wodurch Böswillige leichtes Spiel haben. Für den Eigengebrauch ist dieser bewusst gewählte Kurs der Polarisierung wahrscheinlich effektiv, aber es steckt auch eine große finanzielle Gefahr darin. Wenn sich die USA so den traditionellen europäischen Verbündeten entfremden, steht auch von vornherein fest, dass die nicht mitbezahlen wollen, wenn es um die Milliardenkosten der militärischen Operation geht. Im ersten Golfkrieg hat die EU den Löwenanteil der Kosten getragen."

Der Pariser "Figaro" beschäftigt sich mit der Verstimmung zwischen den USA, Deutschland und Frankreich in der Irak-Krise: "Je weniger Beweise für die Schuld Bagdads vorgelegt werden, desto stärker stellt sich die Frage nach der Berechtigung eines Militäreinsatzes. Das krampfartige Verhalten der Amerikaner stärkt die deutsch-französische Einheit und Entschlossenheit. Das wollten die USA sicherlich nicht erreichen. Die Ungeschicklichkeiten von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schweißen die Politiker rechts und links des Rheins zusammen. Und wer hätte heute nicht den Eindruck, dass Paris und Berlin unter den Verbündeten die größten Gegner der Vorhaben von George Bush sind? Die Unterschiede haben sich zu Divergenzen entwickelt und könnten sich zu einer atlantischen Krise auswachsen. Vorerst ist es noch nicht so weit. Frankreich ist bei allen Komplikationen in den schwierigsten Augenblicken nie von der Seite der USA gewichen. Dennoch werden die Gemüter von diesen Querelen geprägt."

Zwischen wichtigen europäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich auf der einen und den USA auf der anderen Seite bestehe wegen des Zerwürfnisses über einen Irak-Krieg die Gefahr einer langfristigen Entfremdung, meint die liberale österreichische Zeitung "Der Standard": "Selbst wenn man von der Hitzköpfigkeit da wie dort abstrahiert, gibt die Art, wie diese jüngste Auseinandersetzung geführt wird, zu ernster Sorge Anlass. Sollten die transatlantischen Beziehungen für alle Beteiligten noch von Wert sein - und davon ist trotz aller Differenzen auszugehen -, dann wären sprachliche Mäßigung und ein pfleglicherer Umgang miteinander dringend vonnöten. Noch ist nicht die höchste Alarmstufe in den wechselseitigen Beziehungen erreicht, aber die Schwelle zur zweithöchsten ist überschritten."

Die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" befindet: "Die neue französisch-deutsche Ehe hat einen schlechten Start gehabt. Statt zum starken Kern eines respektierteren und angeseheneren Europas zu werden, verursacht die Achse Paris-Berlin schon von den ersten Stunden an eine doppelte Spaltung: Siev ergrößert den Abstand zwischen den beiden Atlantikküsten und ruft Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU hervor. In dieser Angelegenheit gibt es ein Paradoxon: Franzosen und Deutsche haben in der Irak-Frage einen Standpunkt eingenommen, den viele Europäer für einwandfrei halten. (...) Es gibt kein Mitglied der Union, mit der möglichen Ausnahme Großbritanniens, das nicht bereit wäre, diese Linie einzunehmen. Aber Paris und Berlin haben sie beschlossen, ohne ihre Partner zu konsultieren und obendrein im Rahmen einer Initiative, die die französisch-deutsche Führungsrolle in der Union bekräftigt. Sogar im einwandfreien Standpunkt zum Irak sehen die Europäer daher mit Recht ein nationales Interesse."

Die linksliberale französische Tageszeitung "Libération" zieht eine negative Bilanz der US-Bemühungen um eine Allianz gegen den Irak: "Die erste Schlacht des zweiten Golf-Krieges, in der es um die internationale Meinung ging, hat US-Präsident George W. Bush schon verloren. Die zweite Schlacht an der diplomatischen Front läuft auch ziemlich schlecht. Nun hat Bush alle Mittel, allein gen Bagdad zu marschieren und auch zu gewinnen - also auch, wenn die Europäer bis zum Schluss bei ihrer Logik bleiben und sich gegen einen Irak-Krieg stellen, was überhaupt nicht sicher ist. Sollte Bush aber deutlich machen, wie sehr er die internationale Gemeinschaft verachtet, also einen beispiellosen Riss in der transatlantischen Allianz hinnehmen, dann würde er sich nur noch ein zusätzliches Risiko aufbürden."

Die konservative österreichische Zeitung "Die Presse" hat kein Verständnis für die deutsch-französische Haltung: "Dieser deutsch-französische Schwachsinn nimmt nun in Anspruch, als 'die' Stimme Europas aufzutreten. Die restlichen Europäer wissen freilich genau: Gerhard Schröder tut es nur, weil er vor einer vernichtenden Niederlage bei Regionalwahlen steht. Und das Land Jacques Chiracs ist sowieso seit Jahrzehnten immer gegen alles, was aus den USA kommt. Jedoch ist es in Europa kein Geheimnis: Wenn es wieder einmal rund um den alten Kontinent brennt (wie vor kurzem im Kosovo und in Bosnien), dann hilft keine französische, sondern nur eine amerikanische Armee. Die meisten Europäer sind USA-skeptisch. Aber wenn ausgerechnet die Gesichter der Herren Schröder und Chirac als neues Duumvirat über Europa auftauchen, dann sagen sie noch viel lauter 'Nein, danke'. So haben wir uns Europa nicht vorgestellt."