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Halbfinale gegen China

Sabine Kinkartz27. Juni 2008

König Fußball bestimmt auch über das parlamentarische Leben in Berlin. Doch langsam mehren sich die Zeichen, dass es auch eine Zeit danach geben wird.

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Bild: DW

Nicht schon wieder Fußball, werden jetzt manche denken und ich kann sie verstehen. Aber in der vergangenen Woche war es wirklich schwierig bis unmöglich, sich zu entziehen. Schließlich leben in Berlin weit mehr als eine halbe Million Türken, Russen und Spanier und zusammen mit den Deutschen konnten sie bis zum EM-Halbfinale am Mittwoch über nichts anderes nachdenken als über, genau, Fußball. Auch für die Bundestagsabgeordneten, die gleichzeitig Fußballfans sind, war es zuletzt nicht ganz einfach. Von Montag bis Freitag war Sitzungswoche, das heißt, die Abgeordneten müssen in Berlin sein und an Arbeitsgruppensitzungen, Fraktionssitzungen, Ausschusssitzungen und natürlich Plenarsitzungen teilnehmen. Wie verträgt sich das mit Viertelfinal- und Halbfinalspielen? Wie schafft es der am Ballsport interessierte Parlamentarier, Politik und Fußball unter einen Hut zu bringen?

Standing Ovations

Am Mittwoch war alles ganz einfach. Der Deutsche Bundestag tagte laut Protokoll bis 17:54 Uhr und 49 Sekunden, da blieb genug Zeit, sich auf das Halbfinale am Abend vorzubereiten. Am Donnerstag wurde es schon schwieriger. Zwar schaffte es der Fußball anfangs bis ins Plenum hinein. Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnete die Sitzung damit, dass er im Namen des ganzen Hauses der Nationalmannschaft herzlich zum Einzug ins Finale gratulierte und in diese Glückwünsche ausdrücklich auch die türkische Mannschaft mit einbezog. Die habe schließlich, so sagte Lammert, mit bewundernswertem Einsatz, großem Kampfgeist und stetiger Fairness das Spiel ganz wesentlich mitbestimmt. Die Fußballbegeisterten unter den Abgeordneten erhoben sich daraufhin von ihren Plätzen und klatschten stehend Beifall. Ob es ihnen schwer gefallen ist, sich wieder hinzusetzen und zum normalen Geschäft zurück zu kehren, steht nicht im Protokoll. Wohl aber, dass die Plenardebatte weitaus länger dauerte als am Mittwoch.

Die Zeit naht

Während also am Abend die Kicker aus Spanien und Russland um den Einzug ins Finale kämpften, debattierte das Plenum über die China-Politik der Bundesregierung und die Menschenrechtslage in Tibet. Bis 22.39 Uhr und 36 Sekunden, so steht es im Protokoll. Da waren Fußball und Politik eben doch nicht mehr so leicht unter einen Hut zu bringen. Es gibt eben doch noch andere Themen als Fußball - und zwar zunehmend wieder mehr. Denn die Zeit zwischen dem Ende der Europameisterschaft und dem Beginn der nächsten Weltmeisterschaft - sie naht.