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Halb Spiegel, halb Tablet

Daniela Späth2. September 2016

Der Dirror ist der erste digitale Spiegel. Und er kann fast alles: Er dient als Leinwand für Fotos, als Terminkalender oder Fitnesscoach. Unsere DW-Reporterin hat in einem Berliner Friseursalon den Selbstversuch gewagt.

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Dirror (Foto: DW/D. Späth)
Bild: DW/D. Späth

Halleluja! Zum ersten Mal schaue ich in den Spiegel und es blicken mir keine dunklen Augenringe entgegen, sondern viele bunte Kacheln. Nein, ich stehe unter keinem Einfluss irgendwelcher synthetischer Drogen, sondern vor dem Dirror, dem ersten digitalen Spiegel der Welt. Die bunten Kacheln sind Teil des Betriebssystems Windows 10. Jede Kachel steht für eine Anwendung. Rund 20 sind vorinstalliert, den Rest kann man sich bei Bedarf aus den rund 600.000 verfügbaren Apps im Windows-App-Store herunterladen und seinen Bedürfnissen entsprechend anpassen.

Daniel-Jan Girl (Foto: DW/D. Späth)
Daniel-Jan Girl - einer der Dirror-EntwicklerBild: DW/D. Späth

Der Zwitter aus digitaler und analoger Welt hängt im Salon des Berliner Starfriseurs Shan Rahimkhan. Er ist einer der Erstbesteller des innovativen Geräts, das auf den ersten Blick aussieht wie ein überdimensional großes Smartphone-Display. Der erste Eindruck überzeugt: Ein edles Stück mit handgefertigtem Holzrahmen. Wenn man das Display ausschaltet, kann der Dirror tatsächlich als ganz normaler Spiegel verwendet werden - zumindest fast. Shan Rahimkhan hat schon eine erste Schwäche festgestellt: "Der Spiegel ist dunkler und gibt nicht eins zu eins die Farben wieder".

"Die Digitalisierung überfordert uns teilweise", meint Daniel-Jan Girl, einer der Mitentwickler des Dirror. "Wir brauchen deshalb eine große, interaktive, digitale Fläche, die Spaß macht, die man anfassen und erleben kann. So verstehen wir, was Digitalisierung eigentlich bedeutet." Die Wunderflunder scheint also das perfekte Gerät für mich, wo ich doch schon dreimal schlechte Erfahrungen mit meinem Smartphone gemacht habe (einmal vom Balkon gefallen, einmal geklaut, einmal verloren). Heute darf ich den Dirror zum ersten Mal testen.

Deine interaktive Welt, so wie sie dir gefällt

Draußen sind es 25 Grad, die Mittagsmüdigkeit setzt bei mir ein. Um mich in Schwung zu bringen, entscheide ich mich für die Fitnessapp "Perfect Workout", schließlich soll mir das Gerät im Alltag helfen. Ein kleines animiertes Männchen steht vor mir und macht die Übungen vor, ich soll fünf Minuten lang Hampelmännchen machen. Ich schaffe 30 Sekunden. Dann höre ich auf, denn ich sehe die entgeisterten Blicke der Kunden im Friseursalon im Spiegelbild des Dirror.

Ich beschließe, dass es Zeit wird, die Kundschaft im Friseursalon statt mit meiner Fitness eher von meinen Zeichenkünsten zu überzeugen, um ihr Wohlwollen zurückzugewinnen. Die App "PicsArt" sieht ein wenig aus wie die Grafiksoftware Paint von Microsoft. Allerdings lässt sich der Bildschirm einfach per Finger bemalen. So kann man sich beispielsweise auch digitale Grüße hinterlassen. Ich fühle mich wie im Kindergarten für Erwachsene. Macht Spaß!

DW- Reporterin Daniela Späth (Foto: DW/D. Späth)
DW-Reporterin Daniela Späth testet den digitalen SpiegelBild: DW/D. Späth

Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn der Dirror bei uns in der WG im Badezimmer hinge. Im Geiste schreibe ich schon eine digitale Nachricht an meine Mitbewohner mit der Aufschrift "Du hast mal wieder deine Wäche in der Waschmaschine vergessen!" oder in der Küche "Sorry, hab deine Schokolade aufgegessen!".

Der Mensch soll wieder in den Mittelpunkt rücken

Wir selbst sollen wieder im Mittelpunkt stehen und nicht die Technik, sagt mir Daniel-Jan Girl. Der digitale Spiegel helfe den Menschen dabei, perfekt für den Tag vorbereitet zu sein.

Es stimmt: Mit dem Dirror lassen sich Einkaufslisten, Erinnerungen, Nachrichten, E-Mails oder Wettervorhersagen auf einen Blick überschauen, organisieren und steuern. Sogar die Stromverwaltung der Wohnung soll über den Dirror möglich sein. In Zukunft soll er die zentrale Schaltstelle aller elektronischer Geräte im Haus werden und auch das Shoppen einfacher machen.

Mona Lisa im Dirror (Foto: DW/D. Späth)
Der Spiegel wird zum digitalen GemäldeBild: DW/D. Späth

Braucht man das?

Keine Frage - der Dirror ist ein Alleskönner und kostet mit 590 Euro in der kleinsten Variante etwa so viel wie manch ein Smartphone. Nur eines ist er eben nicht - mobil.

Und ganz ehrlich: Wenn mir morgens als erstes, wenn ich in den Spiegel blicke, meine nie enden wollende To-Do-Liste entgegenspringt, dann sind mir meine dunklen Augenringe doch lieber. Die Technik auf Augenhöhe ist eben doch ganz schön anstrengend.

Dem Friseursalon habe ich übrigens die Mona Lisa von Leonardo da Vinci hinterlassen. Und ganz sicher auch zahlreiche Fingerabdrücke.