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Chaos in Haiti

10. April 2008

Die hohen Lebensmittelpreise haben den Zorn der Haitianer stärker erwachen lassen als angenommen. Die Ausschreitungen nehmen bedrohliche Ausmaße an. Rücktrittsforderungen an die Regierung werden laut.

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UN-Truppen Hauptstadt Port-au-Prince, Quelle: dpa
UN-Truppen versuchen, die Proteste in der Hauptstadt Port-au-Prince einzudämmenBild: AP

Die gewaltsamen Demonstrationen in Haiti gegen hohe Lebensmittelpreise bringen die Regierung des Karibikstaats zunehmend in Bedrängnis. Nachdem Tausende durch die Straßen ziehende Bürger einen Rücktritt der Regierung gefordert hatten, schlossen sich am Donnerstag (10.4.2008) mehrere Parlamentarier den Rücktrittsforderungen der Demonstranten an. Angesichts der Krise seien "mutige politische Entscheidungen" nötig, sagte Parlamentspräsident Kelly Bastien in Port-au-Prince.

UN und Polizei sollen Plünderungen beenden

Leise Kritik an der Regierung übte auch Präsident Préval, der zuvor den Rücktrittsforderungen noch eine Absage erteilte hatte. Zugleich mahnte Préval in seiner Fernsehansprache zu einem Ende der Gewalt und kündigte zugleich ein Vorgehen gegen Plünderer an. "Ich habe der haitianischen Polizei und den UN-Soldaten befohlen, die Plünderungen zu beenden", sagte er. Er werde sich in Gesprächen mit Importeuren um eine Verbilligung von Grundnahrungsmitteln bemühen, kündigte der Staatschef an.

Haitis Präsident Rene Préval (AP Photo/Ed Betz)
Präsident Préval mahnt Ende der Gewalt anBild: AP

Die Unruhen waren Ende der vergangenen Woche zunächst in der südhaitianischen Stadt Les Cayes ausgebrochen und sich dann in andere Städte ausgedehnt. Die Polizei hat am Mittwoch (9.4.2008) vergeblich versucht, die Lage in der Hauptstadt Port-au-Prince unter Kontrolle zu bringen. Trotz der ultimativen Aufforderung von Präsident Preval, die Gewalt einzustellen, plünderten Tausende von Demonstranten weiter Geschäfte, Supermärkte, Tankstellen und gingen auch gegen Radiosender vor. Bisher kamen fünf Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Seit Dienstag dieser Woche ziehen Tausende vorwiegend junge Männer plündernd durch die Straßen der Hauptstadt.

Die weltweit gestiegenen Lebensmittelpreise treffen Haiti besonders hart, wo 80 Prozent der Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen muss. Die Preise für Reis, Bohnen, Früchte und Kondensmilch sind seit dem vergangenen Jahr um 50 Prozent gestiegen. Nudeln kosten doppelt so viel.

Einer von vielen Verletzten, fünf Menschen kam um, Quelle: AP
Gefährliche Unruhen: Viele wurden verletzt, fünf Menschen kam umBild: AP

Doch womöglich sind nicht nur die Lebensmittelpreise Grund für die Ausschreitungen. Es wird vermutet, dass Drogenbanden oder Anhänger des 2004 gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide die Unruhen provoziert haben, mit dem Ziel, die Lage im ärmsten Land Amerikas weiter zu destabilisieren. Haiti ist in Jahrzehnten der Diktatur wirtschaftlich und politisch völlig ruiniert worden. Die UN-Mission Minustah versucht seit 2004, dem Land den Weg in die Demokratie zu ebnen.

Weltbank warnt

Die Weltbank warnte unterdessen vor weiterer Armut in Folge der anhaltend teuren Lebensmittel. Die Preise für Nahrungsmittel blieben voraussichtlich in diesem und im kommenden Jahr hoch, heißt es in einem Papier der Weltbank für einen Gipfel führender Wirtschafts- und Finanzpolitiker am Wochenende in Washington. Weltbank-Präsident Robert Zoellick zufolge könnten die Preissteigerungen die Erfolge einiger Länder im Kampf gegen die Armut wieder zunichtemachen. Die internationale Gemeinschaft müsse nicht nur Soforthilfe leisten, sondern betroffenen Ländern auch dabei helfen, Lösungen zu finden, um die Auswirkungen der Teuerung auf die Ärmsten zu lindern. Eine Maßnahme könnten etwa Steuererleichterungen sein. Als letztes Mittel kämen auch Direktzahlungen an Arme in Betracht. (tos)