1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Haitis Präsident tritt ohne Nachfolger ab

8. Februar 2016

Der karibische Krisenstaat Haiti bleibt instabil. Präsident Martelly geht, wegen einer Dauerfehde zwischen Regierung und Opposition gibt es aber noch keinen Nachfolger. Vorerst übernimmt eine Übergangsregierung.

https://p.dw.com/p/1HrGo
Haitianischer Präsident Michel Martelly mit Ehefrau Sophia nach der Abschiedszeremonie im Parlament (Foto: Reuters/A. M. Casares)
Bild: Reuters/A. M. Casares

Der scheidende Staatschef Michel Martelly (im Artikelbild mit Ehefrau Sophia) dankte in seiner letzten Ansprache vor den versammelten Mitgliedern der beiden Parlamentskammern in Port-au-Prince seinen Mitarbeitern, bevor er die Präsidentenschärpe an den Senatspräsidenten Jocelerme Privert übergab. Einen Nachfolger gibt es nicht, weil die zweite Runde der Präsidentenwahl zuletzt vertagt wurde, nachdem sie zuvor schon zweimal verschoben worden war.

In der ersten Runde am 25. Oktober hatte der Kandidat der Regierung, Jovenel Moïse, mit 32,7 Prozent der Stimmen den ersten Platz erreicht. Der Oppositionskandidat Jude Célestin, der mit 25,3 Prozent Zweiter wurde, warf der Regierung aber Wahlfälschung vor und sprach von einer "lächerlichen Farce". Die ursprünglich für den 27. Dezember geplante Stichwahl wurde zunächst auf den 24. Januar verschoben, dann aber mangels Einigung mit der Opposition vertagt.

Martelly verteidigte bei seinem Abgang die Bilanz seiner fünfjährigen Amtszeit. "Haiti erholt sich", sagte der frühere Musiker. Diese Erholung könne überall im Land festgestellt werden. Trotz eines lähmenden Streits zwischen Regierung und Opposition war der Wiederaufbau des Landes nach dem Erdbeben von Januar 2010 vorangekommen.

Machtvakuum soll verhindert werden

"Die Geschichte wird sich trotz Wind und Gezeiten an den Stein erinnern, den ich zur Errichtung eines schöneren Haitis beigetragen habe", meinte Martelly in seiner Abschiedsrede, die er auf Französisch und Kreolisch hielt. Sie werde sich "auch meiner Niederlagen erinnern, die ich auf mich allein nehme, und unter denen mein größtes Bedauern der Verschiebung der Wahlen gilt". Martelly nutzte die Rede auch, um seine Familie gegen Vorwürfe der Unterschlagung zu verteidigen.

Martelly musste gemäß der Verfassung am Sonntag abtreten, auch wenn kein Nachfolger bereitsteht. Wenige Stunden vor seinem Abschied hatte der 54-Jährige eine Einigung mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern getroffen, wonach die Nationalversammlung binnen fünf Tagen einen Übergangspräsidenten für maximal 120 Tage wählt. Unter den Favoriten für den Posten sind Senatspräsident Privert und der Präsident des Kassationsgerichts, Jules Cantave.

Um ein Machtvakuum zu verhindern, soll in den nächsten Tagen außerdem ein vorübergehender Ministerpräsident bestimmt werden. Eine Übergangsregierung soll die Macht bis zur Wahl eines neuen Staatschefs kommissarisch übernehmen.

Opposition will Neuwahlen

Die Stichwahl um das Präsidentenamt soll jetzt im April stattfinden. Ob es dazu kommt, bleibt aber fraglich. Die Opposition will Neuwahlen - und sie schickte in den vergangenen Wochen oft ihre Anhänger auf die Straßen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. In Port-au-Prince und in anderen Städten des Landes kam es dabei häufig zu Ausschreitungen.

Demonstration gegen Wahlfälschung Mitte Januar in Port-au-Prince (Foto: Reuters/A. Martinez Casares)
Proteste gegen Wahlfälschung Mitte Januar in Port-au-PrinceBild: Reuters/A. Martinez Casares

Das im Westteil der Karibikinsel Hispaniola gelegene Haiti gilt als ärmstes Land Lateinamerikas. Ein verheerendes Erdbeben verschlimmerte im Januar 2010 die Lage. 40 Prozent des Staatshaushalts werden durch Entwicklungshilfe finanziert. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Präsidenten häufig vom Militär oder durch Volksaufstände aus dem Amt gejagt.

gri/ago (afp, dpa)