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Haft für Ex-Innenminister der Ukraine

28. Februar 2012

Juri Luzenko gehörte der Regierung von Julia Timoschenko an. Jetzt muss auch er wegen Machtmissbrauchs hinter Gitter. Die EU hält das Urteil für politisch motiviert.

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Juri Luzenko bei der Urteilsverkündung im Kiewer Gericht
Bild: picture-alliance/dpa

Der frühere ukrainische Innenminister Juri Luzenko ist zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er war Mitglied der Regierung von Julia Timoschenko, die bereits im Gefängnis sitzt. Ein Gericht in Kiew befand Luzenko am Montag (27.02.2012) des Machtmissbrauchs sowie der Unterschlagung für schuldig. Er soll seinem Fahrer eine illegale Pension gewährt und ihm geholfen haben, kostenlos eine Wohnung zu erhalten. Überdies wurde er beschuldigt, für Polizeifeste 2008 und 2009 unzulässige Haushaltsmittel verwendet zu haben.

Julia Timoschenko nach der Urteilsverkündung im Kiewer Gerichtssaal (Foto: AP/dapd)
Julia Timoschenko wurde zu sieben Jahren Haft verurteiltBild: dpad

Luzenko kritisierte das Verfahren als "unfair". Er wies alle Vorwürfe zurück. "Das Urteil zielt darauf ab, mich als Politiker zu zerstören", warf er dem Gericht vor. Sein Anwalt kündigte Berufung gegen das Urteil an. Der Oppositionspolitiker sitzt bereits seit Dezember 2010 in Untersuchungshaft. Diese Zeit wird auf die Strafe angerechnet. Zugleich ordnete das Gericht an, Luzenkos Besitz zu beschlagnahmen.

Die ukrainische Justiz ermittelt gegen mehrere ehemalige Mitglieder von Timoschenkos Regierung wegen Machtmissbrauchs. Der ehemalige Wirtschaftsminister Bogdan Danylyschin und Alexander Timoschenko, Ehemann der Ex-Regierungschefin, befinden sich in Tschechien im Asyl.

Julia Timoschenko selbst hat bereits eine siebenjährige Haftstrafe angetreten und sieht sich ebenfalls als Opfer eines politischen Komplotts. Sie soll während ihrer Zeit als Ministerpräsidentin ihrem Land beim Abschluss von Gasverträgen mit Russland geschadet haben.

Kritik aus Brüssel

Portrait der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton (Foto: AP/dapd)
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisiert Luzenko-UrteilBild: dapd

Auch die EU betrachtet das Vorgehen gegen Mitglieder der Timoschenko-Regierung als politisch motiviert und spricht von "selektiver Justiz". Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle kritisierten das Urteil gegen Luzenko scharf. Der Prozess stünde im Widerspruch zu internationalen Rechtsstandards, hieß es in einer Stellungnahme aus Brüssel.

Mit dieser negativen Reaktion der EU hat der Vorsitzende des Ukrainischen Helsinki-Verbandes für Menschenrechte, Arkadij Buschtschenko, gerechnet. Der DW sagte er, das Urteil gegen Luzenko unterscheide sich in seiner rechtlichen Komponente nicht von dem gegen Timoschenko. Buschtschenko wies darauf hin, dass das Gericht viele Zeugen nicht angehört habe, die zu Luzenkos Gunsten hätten aussagen wollen.

Der Abgeordnete der regierenden "Partei der Regionen", Viktor Korsch, hingegen unterstrich im DW-Interview, er habe keinen seriösen Experten gehört, der die Vorwürfe gegen Luzenko in Frage gestellt hätte. "Außer politischem Gerede habe ich keine juristischen Einwände gehört gegen Artikel, aufgrund derer Luzenko angeklagt war", so Korsch. Negative Reaktionen auf das Luzenko-Urteil seitens der EU sind seiner Meinung nach unangebracht: Er wundere sich über die Selektivität solcher Reaktionen, zumal es auch in Europa Verfahren gegen Politiker gebe, wie zum Beispiel in Polen, Deutschland und Frankreich.

"Ein politisch motiviertes Urteil"

Der Kiewer Politologe Oleksandr Palij meint, dass viele Amtsvertreter in der Ukraine hinter Gitter geraten könnten, wenn man ihnen das zur Last legen würde, was man Luzenko vorwirft.

Auch Nico Lange, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew, ist überzeugt, dass jeder beliebige Politiker in der Ukraine zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden könnte, unabhängig davon, ob es tatsächlich belastbare Vorwürfe gebe. "Im Fall Luzenko zeigt sich noch deutlicher als im Fall Timoschenko, dass es in der Ukraine kein faires Verfahren und keine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt", sagte er der DW. Das Verfahren gegen Luzenko hält Lange eindeutig für politisch motiviert: "Man muss sich fragen, warum so ein Urteil gesprochen wird - bei vergleichsweise lapidaren Vorwürfen, die ihm in dem Verfahren noch nicht einmal fair nachgewiesen worden sind."

Portrait von Nico Lange, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer Stiftung in der Ukraine. (Foto: Nico Lange)
Nico Lange: Kein faires VerfahrenBild: Nico Lange

Unter diesen Bedingungen sei die EU sicher nicht bereit, ein weit reichendes Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu unterschreiben, so der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Auf der europäischen Seite besteht nur Gesprächsbereitschaft, wenn sich in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie etwas verbessert", betonte der deutsche Experte. Aber das Urteil gegen Luzenko zeige, dass es offenbar keine entsprechenden Anstrengungen in Kiew gebe.

Autor: Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann