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Haft für Randale-Aufruf im Internet

17. August 2011

Großbritannien setzt nach den Krawallen auf Härte: Zwei junge Briten sind wegen Anstiftung zu Gewalt zu je vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil soll abschrecken, meinte der Richter.

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Ein brennendes Auto in Birmingham (Foto: dpa)
"Lasst uns Randale machen" - solche Aufrufe verbreiteten die Verurteilten im InternetBild: picture alliance/empics

Vier Jahre Haft, weil sie auf Facebook zu Krawallen aufgerufen haben – dazu hat ein Gericht in der Grafschaft Chester am Dienstagabend (16.08.2011) zwei junge Männer aus England verurteilt. Die beiden Männer hatten auf dem sozialen Netzwerk zu Randale und Plündereien in der nordwestenglischen Stadt Northwich angestachelt. Der zuständige Richter Elgan Edwards sagte, er hoffe, das Urteil habe eine abschreckende Wirkung auf andere. Auch ein Polizeisprecher bezeichnete den Urteilsspruch als ein "abschreckendes Beispiel und eine klare Botschaft an potenzielle Krawallmacher". Die Facebook-Einträge der beiden Männer hätten gezeigt, "wie heutzutage die Technologie für kriminelle Aktivitäten missbraucht" werden könne.

Einer der Verurteilten ist ein 20-Jähriger, der die Facebook-Seite "Macht Northwich nieder" einrichtete und darauf unter anderem zum Sturm auf eine McDonald's-Filiale aufrief. Der zweite Verurteilte hatte zu Protesten in seinem Wohnviertel in Warrington, ebenfalls im Nordwesten Englands, aufgerufen. Dazu setzte der 22-Jährige seine Facebook-Seite unter das Motto "Lasst uns Randale machen".

Großbritannien streitet weiter um die richtigen Schlüsse aus den Krawallen und Plünderungen der vergangenen Woche. Vor allem junge Menschen waren an den vier Nächte dauernden Unruhen beteiligt. Dabei kamen insgesamt fünf Menschen ums Leben.

Innenministerium erwägt Ausgangssperre

Britische Innenministerin Theresa May (Foto: dpa)
Innenministerin May will Ausgangssperren und Hausarrest für Jugendliche einführenBild: picture alliance/dpa

Wie soll Großbritannien nun weitermachen? Strenge Maßnahmen sind im Gespräch. So will Innenministerin Theresa May Ausgangssperren ermöglichen, um Bandenkriminalität zu bekämpfen. Dabei steht auch ein Hausarrest für Jugendliche unter 16 Jahren zur Debatte. Dafür bedürfe es aber einer Gesetzesänderung: "Unter dem bisher geltenden Gesetz gibt es keine Möglichkeit, eine generelle Ausgangssperre in einem bestimmten Gebiet zu verhängen." Bisher können Ausgangssperren nur gegen einzelne Verdächtige verhängt werden. Auch Jugendliche unter 16 Jahren könnten kaum belangt werden, sagte die Ministerin.

16-Jähriger soll Mann ermordet haben

Die Gerichte greifen schon jetzt hart durch. Die Quote derer, die von Gerichten ins Gefängnis geschickt werden, liegt derzeit bei 65 Prozent. In London ist ein 16-jähriger Jugendlicher wegen Mordes angeklagt. Er soll für den Tod eines 68-jährigen Mannes verantwortlich sein. Dieser war von Randalierern attackiert worden, weil er im Stadtteil Ealing ein Feuer in einem Mülleimer eines Supermarktes löschen wollte. Der Mann starb später im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen. Der Mutter des 16-Jährigen wird vorgeworfen, sie habe die Ermittlungen der Justiz behindert.

Ausgebrannte Häuser in Liverpool (Foto: dpa)
Der Schaden ist immens - Randalierer sollen dafür gerade stehenBild: picture-alliance / Piers Cavendi

Auch in den anderen vier Todesfällen während der Krawalle sind die mutmaßlichen Verantwortlichen bereits gefasst worden. In Birmingham verhört die Polizei sieben Männer. Es geht dabei um den Tod dreier Männer, die laut Polizei absichtlich von einem Auto überfahren worden waren. Im Londoner Stadtteil Croydon war ein 26-Jähriger mit tödlichen Schusswunden in einem Auto gefunden worden. Auch hier wurden Verdächtige festgenommen. Im Zusammenhang mit den Krawallen sind allein in London 1635 Menschen festgenommen worden. 940 wurden angeklagt.

Bei den Ausschreitungen waren nach Polizeiangaben offenbar auch Krawalle an Orten für die in London stattfindenden Olympischen Spiele 2012 und in größeren Einkaufszentren geplant. Zum Olympiapark, dem Oxford Circus und zwei Einkaufszentren waren Einsatzkräfte entsandt worden. Zuvor seien auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und den BlackBerrys von Festgenommenen Hinweise dafür entdeckt worden.

Cameron spricht mit Opfern

Premierminister David Cameron besuchte am Dienstag erstmals den zum Teil verwüsteten Stadtteil Tottenham im Norden Londons. Dort hatten vor fast zwei Wochen die gewalttätigen Auseinandersetzungen begonnen. Er traf 200 Betroffene, die durch Häuserbrände oder Verwüstungen obdachlos geworden sind. "Ich wollte aus erster Hand ein paar von den Dingen hören, die Ihnen widerfahren sind", sagte er zu ihnen.

Der stellvertretende Ministerpräsident Nick Clegg forderte, es solle einen unabhängigen Ausschuss geben, der die "Stimme der Opfer" höre. Ziel sei es, dadurch besser zu verstehen, was genau passiert sei. Zudem schlug er vor, dass jugendliche Randalierer den angerichteten Schaden selbst beseitigen sollten.

Hilfefonds für Londoner Krawallgebiete geplant

Premierminister David Cameron im Gespräch mit Polizisten (Foto: dpa)
Cameron beklagt den Verlust von Moral und FamilienwertenBild: picture alliance/dpa

Unternehmen und Geschäfte, die bei den Krawallen besonders beschädigt wurden, will die Regierung mit einem Hilfsfonds unterstützen. Durch die tagelangen Krawalle entstand ein Schaden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Pfund.

Bislang hat Cameron vor allem mit harter Rhetorik auf die Unruhen reagiert und den Moralverfall in der Gesellschaft dafür verantwortlich gemacht. "Pure Kriminalität" habe die Randalierer angetrieben. Ausgeblendet bleiben dabei die zunehmende soziale Ungleichheit, die Verarmung in Teilen des Landes, Diskriminierung und die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Um die Ursachen der Krawalle anzugehen, so fordern zahlreiche Kritiker, müsse die Regierung vor allem diese Probleme angehen.

Autorin: Naima El Moussaoui (mit afp, dpa, dapd, rtr)

Redaktion: Martin Schrader