1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Höhepunkt noch nicht erreicht"

21. Februar 2002

- Zahl der Insolvenzverfahren in Polen steigt rapide an

https://p.dw.com/p/1sFp

Warschau, 18.02.2002, RZECZPOSPOLITA, poln.

Bei polnischen Gerichten werden immer mehr Insolvenzanträge von Firmen und Unternehmen gestellt. Die sich ständig verschlechternde Wirtschaftskonjunktur hat zur Insolvenz vieler unrentabler Betriebe beigetragen. Von der Krise wurden jedoch auch diejenigen betroffen, die keine Schuld daran tragen, dass sich ihre Firma in einer Kette von verschuldeten Betrieben befindet.

Die Liste der Insolvenzanträge wird immer länger und nimmt proportional zu der Wirtschaftskrise zu. Die Insolvenzverfahren werden immer komplizierter und unsere Justiz, die selbst unter Geldmangel leidet, hat immer größere Probleme, sie zu bewältigen.

Nach den Angaben des Büros des Herausgebers der Monatszeitschrift Monitor Sadowy i Gospodarczy (Wirtschafts- und Gerichtsmonitor) wurden im Jahr 1999 von den Gerichten 716 Insolvenzverfahren eröffnet. Im Jahr 2000 betrug diese Zahl 910 und ein Jahr später ist sie um weitere 30 Prozent gestiegen. Diese Angaben sind jedoch nicht präzise, weil ein großer Teil der Firmen die Pflicht über die Veröffentlichung der Insolvenz nicht beachtet. (...)

Ein starker Anstieg der Insolvenzverfahren wird auch von den Statistiken bestätigt, die beim Justizministerium geführt werden. Die Zahl der Insolvenzanträge wächst ständig seit der Krise in Russland im Jahr 1998. In der ersten Hälfte 2001 wurden bei den Gerichten in Polen 2 861 Insolvenzanträge gestellt, d.h. um 42 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2000.

"Etwa 90 Prozent der Firmen, die vom Markt verschwinden, gehen nicht pleite, sondern beenden einfach ihre Tätigkeit", meint Julian Kinkel, einer der Eigentümer der Agentur für Handel mit Schuldpapieren in Czestochowa (Tschenstochau). (...)

Sowohl die große Zahl der Insolvenzverfahren als auch die Tatsache, dass sie immer komplizierter werden, trägt dazu bei, dass es für die Gerichte immer schwieriger wird, sie zu bearbeiten. Von dem zuständigen Gericht in Wroclaw (Breslau) werden beispielsweise zur Zeit etwa 180 Insolvenzanträge bearbeitet, die von lediglich vier Richtern und 52 Insolvenzverwaltern abgewickelt werden.

An die Gerichte werden aber auch immer mehr Vergleichsanträge gerichtet. Im Jahr 2000 waren es 31 Anträge, ein Jahr später 77 und in diesem Jahr schon neun. (...)

Aus den Angaben des Justizministeriums geht hervor, dass im Jahr 2000 3 908 Insolvenzverfahren eröffnet wurden. Eine ähnliche Zahl wurde jedoch einfach überhaupt nicht bearbeitet. In der ersten Hälfte 2001 wurden 2 493 Verfahren eröffnet und 3 835 sind einfach liegen geblieben.

Die Angaben des Justizministeriums weisen auf große Unterschiede bei der Bearbeitungszeit von Insolvenzverfahren in ganz Polen hin. In der Statistik schneiden kleine Städte schlechter ab. (...) In der ersten Hälfte 2001 dauerte ein Insolvenzverfahren in Warschau durchschnittlich 3,6 Monate, in Radom hingegen zwei Jahre und zwei Monate. (...)

"Vieles deutet darauf hin, dass die Zahl der Insolvenzverfahren in den nächsten Monaten steigen wird. Ich befürchte, dass wir den ‘Höhepunkt‘ noch nicht erreicht haben", sagt Richter Ireneusz Dukiel, Vorsitzender der VIII. Wirtschafts- und Insolvenzabteilung (...) beim Bezirksgericht in Wroclaw. Allein bei diesem Gericht sind in diesem Jahr schon 55 Insolvenzanträge eingegangen. (...)

Richter Dukiel behauptet, dass die Insolvenzanträge immer öfter von Gläubigern gestellt werden, die keine andere Möglichkeit sehen, ihr Geld wiederzubekommen. Das Problem mit der Zahlungsfähigkeit plagt immer öfter große Firmen, die durch die Medien in ganz Polen bekannt sind, sowie ganze Branchen wie z.B. Bau, Informatik, Leasing und die Computerbranche. (...)

Es gibt nicht nur immer mehr Insolvenzverfahren, sie werden auch immer komplizierter, weil sie sogar Unternehmen betreffen, die sowohl nationale als auch internationale Verbindungen haben. "Es ist keine Seltenheit mehr, dass unsere Insolvenzverwalter dienstlich nach Deutschland, Russland oder Tschechien reisen müssen. Es gibt auch immer mehr Firmen, bei denen es vor der Insolvenz zu Straftaten gekommen war, z.B. Steuerbetrug, Erschwindeln von Krediten, oder dass einfach in die eigene Tasche gewirtschaftet wurde", sagt Richter Ireneusz Dukiel. (...)

Julian Kinkel ist der Meinung, dass sich in Polen auch die Zeit verkürzt hat, in der eine Firma gezwungen ist, einen Insolvenzantrag zu stellen. Früher konnte sich ein Unternehmen, das Liquiditätsprobleme bekam, sogar zwei Jahre halten. Jetzt hat sich diese Zeit auf zwei Monate verkürzt. (...) (Sta)