1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gütesiegel auf dem Prüfstand

Martin Koch15. August 2013

Qualitätsgarant oder Auslaufmodell? Der Kennzeichnung "Made in Germany" droht durch eine neue EU-Bestimmung das Aus. Experten befürchten negative Auswirkungen für den Standort Deutschland. Aber es gibt auch Profiteure.

https://p.dw.com/p/19OqK
Logo 'Made in Germany' (Foto: Fotolia/cirquedesprit)
Bild: Fotolia/cirquedesprit

"Ich halte davon gar nichts, weil es mehr Bürokratie erzeugt!" Was Jürgen Varwig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), so aufregt, ist der Plan der EU-Kommission zu einer Neugestaltung des Labels "Made in Germany".

Bisher durften Hersteller dieses Gütesiegel freiwillig auf allen Produkten anbringen, "deren Wesensmerkmal in Deutschland gefertigt wurde oder aus deutscher Produktion kommt", erklärt Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Der Außenwirtschaftschef des Verbandes veranschaulicht das an dem Beispiel einer Zapfsäule: "Wenn Entwicklung, Design und Endmontage hierzulande erfolgen und nur Zulieferteile aus dem Ausland kommen, dann darf sie als 'Made in Germany' bezeichnet werden."

Garantierte Qualität

Dr. Jürgen Varwig von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (Foto: DGQ)
Varwig: "'Made in Germany' könnte mehr als 100 Mrd. Euro wert sein"Bild: DGQ

Doch das Label ist viel mehr als eine reine Herkunftsbezeichnung, ergänzt DGQ-Präsident Varwig: "Dahinter steht Verarbeitung, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit - alles, was sich unter 'Qualität' zusammenfassen lässt. Und man kauft auch das Image ein, deutsche Ingenieurskunst zum Beispiel."

Schätzungen zufolge könnte das Label "Made in Germany" mehr als 100 Milliarden Euro wert sein, weil Unternehmen und Konsumenten sich für den Erwerb höherpreisiger deutscher Ware entscheiden und nicht für günstigere Produkte aus anderen Ländern. Durch die EU-Pläne sieht Varwig dieses Alleinstellungsmerkmal bedroht. Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll nämlich künftig jeder Hersteller von vornherein genau dokumentieren, in welchem Land welcher Fertigungsschritt vollzogen wird - und dann berechnen, an welchem Standort der größte "Wertschöpfungszugewinn" erfolgt ist. Das Ergebnis wäre dann die Grundlage für die Höhe der Zölle auf das Endprodukt entsprechend des neuen Zollkodex der Europäischen Union, der Ende des Jahres in Kraft treten soll. "Wir haben dann faktisch die Verschiebung von Qualitätsmerkmalen zu Zollvorschriften", klagt DGQ-Chef Varwig.

Zusätzliche Kosten ohne Nutzen?

Auch der DIHK will an der jetzigen Regelung festhalten, weil sich die freiwillige Kennzeichnung "Made in Germany" bewährt habe, sagt Außenwirtschafts-Experte Treier:

"Wenn es zu einem Streitfall kommt, dann muss es nachgewiesen werden. Das gibt die Anreize, dass ich es nicht leichtfertig auf mein Produkt setze." Die von der EU vorgesehene obligatorische Kennzeichnung werde gerade für mittelständische Unternehmen zusätzliche Kosten verursachen, ohne dass die Verbraucher dann mehr Sicherheit über die Herkunft des Produkts hätten.

Volker Treier, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Foto: DW)
Treier: "Die bisherige Regelung hat sich bewährt"Bild: DW

Dieser Ansicht widerspricht der auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Morton Douglas aus Freiburg im Breisgau: "Ich denke nicht, dass es hier in erster Linie den Mittelstand trifft, sondern vielmehr Großunternehmen, die viel mehr aus dem Ausland zukaufen. Die könnten dann vielleicht in geringerem Maße 'Made in Germany' verwenden. Der Mittelständler, der häufig eine hohe Produktionstiefe hat, der wird damit sehr gut umgehen können."

Warum jetzt?

Möglicherweise steckt aber, so die Vermutung von DIHK und DGQ, ein auch protektionistisches Motiv hinter dem Kommissionsvorschlag: Dass sich nämlich die schwächelnden südlichen EU-Länder mit einem Herkunftsnachweis gegen die Billiglohn-Länder aus Südostasien absetzen können. Und in einem nächsten Schritt könnten dann die länderspezifischen Kennzeichnungen in ein "Made in EU" einfließen. Eine solche Entwicklung wäre für die wirtschaftlich gut dastehende Exportnation Deutschland höchst problematisch, sagt DGQ-Präsident Varwig: "Wir möchten natürlich schon, dass Europa insgesamt vorankommt, das ist ja selbstverständlich. Aber das muss auch dadurch geschehen, dass andere Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Und das kann dann nicht dadurch passieren, dass man dann plötzlich die Regeln ändert."

Ansprüche neu definieren

Wolfgang Grupp, Chef des Bekleidungsherstellers trigema, findet die Idee eines verpflichtenden Herkunftsnachweises gut. Er lässt in seinem Unternehmen schon seit jeher das gesamte Sortiment in Deutschland herstellen. Nur Rohstoffe wie Baumwolle, die hierzulande nicht wachsen, bezieht er aus dem Ausland. Seiner Ansicht nach hat Deutschland es genauso wenig wie Europa nötig, sich in den zerstörerischen Kampf mit der Billig-Konkurrenz aus Fernost zu stürzen. Man müsse nur die Ziele neu definieren: "Ich muss nicht der größte Automobilhersteller der Welt sein, ich muss das beste Auto der Welt herstellen. Wir müssen jedes Produkt herstellen können und zwar qualitativ immer das Beste."

Wolfgang Grupp, trigema-Chef (Foto: dpa)
Grupp: "Europa muss alles produzieren können"Bild: picture-alliance/dpa

Die Erfahrung aus seiner Branche zeige, dass viele Mitbewerber, die wegen vermeintlich günstigerer Produktionskosten in Niedriglohnländer abgezogen sind, wirtschaftlich schlechter dastehen als vorher, einige hätten sogar ganz aufgeben müssen.

Viel Lärm um Nichts?

Bis es dem Gütesiegel "Made in Germany" endgültig an den Kragen gehen kann, wird noch einige Zeit vergehen. Denn die Vorschläge der EU-Kommission benötigen zunächst noch die Zustimmung des Europaparlament und der Mitgliedsstaaten.

Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag empfiehlt allerdings ein anderes Verfahren: "Das Beste wäre, diesen ganzen Vorschlag wieder in den Papierkorb zu werfen, weil uns nicht ersichtlich ist, wo die Produktsicherheit gesteigert wird durch dieses Ansinnen. Bisher haben die Verbraucher nicht aufgeschrien, wenn nicht alle Produkte ein "Made in…"-Label haben."