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Gutes Klima allein reicht nicht

19. November 2009

Einigkeit über Klimaziele und Russlands schnellen WTO-Beitritt - das sind gute Ergebnisse des EU-Russland-Gipfels. Die großen Zukunftsfragen zwischen EU und Russland wurden aber ausgeklammert, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

Vor dem EU-Russland-Gipfel in Stockholm gab es keine hohen Erwartungen. Die vielschichtigen russisch-europäischen Beziehungen stecken seit langem in einer Krise. Der letzte EU-Russland-Gipfel hatte im Mai 2009 in Chabarowsk faktisch ohne Ergebnisse geendet.

Positive Signale für die Beziehungen

Ingo Mannteufel

Gemessen an der schwierigen Ausgangslage kann das Treffen der EU-Troika um Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt mit Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew in Stockholm sogar als ein Erfolg bewertet werden. Denn Präsident Medwedjew hat den Europäern und insbesondere den umweltbewussten Schweden bei ihrem aktuellen Lieblingsthema - einem neuen Klimaabkommen in Nachfolge des Kyoto-Abkommens - eine deutliche Unterstützung versprochen. Diese Ankündigung kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember ist ein geschickter Schachzug von Medwedjew: Damit demonstriert er seine Bereitschaft für gute Beziehungen mit der EU, und zugleich setzt er andere Staaten - insbesondere China und die USA - unter Druck, sich ebenfalls an einem neuen Abkommen zu beteiligen.

Nicht zuletzt passt aber Medwedjews Ankündigung auch hervorragend zu seinen kürzlich vorgestellten Modernisierungsplänen und dem Ziel, die Energienutzung in Russland effektiver zu gestalten. Die Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu 1990 ist in Russland ohnehin nicht so schwierig, da es durch den Zusammenbruch der sowjetischen Industrie in den 1990er Jahren bereits einen Rückgang gegeben hat.

Ein ähnlicher Gleichklang der Interessen der EU und Russlands zeigt sich auch beim zweiten wichtigen Ergebnis des Gipfels - der Ankündigung Medwedews, dass Russland "auf dem kürzesten Weg" der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten wolle. Die geplante Zollunion Russlands mit Belarus und Kasachstan soll nun nicht mehr im Wege stehen. Der schnellstmögliche WTO-Beitritt ist sowohl im Interesse der Modernisierungspolitik von Präsident Medwedjew als auch im Sinne der EU-Staaten, die sich dadurch Verbesserungen bei Investitionen in Russland und im Handel versprechen.

Viele wichtige Fragen ausgeklammert

Die positiven Signale dieses Gipfels können einen Beitrag zu einer generellen Verbesserung der russisch-europäischen Beziehungen leisten. Doch trotz dieser vorsichtig optimistischen Bewertung des Stockholmer Gipfels darf nicht vergessen werden, dass beim eintägigen Treffen in der schwedischen Hauptstadt vieles ausgeklammert worden ist:

Das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, das immer noch nicht fertig ist, die weiterhin ungeklärte rechtliche Absicherung der europäischen Energieversorgung mittels einer Energiecharta, das europäische Schweigen über den russischen Vorschlag einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa, die gegenseitigen Visumspflicht, die von Russland als ausgrenzend wahrgenommene Europäische Nachbarschaftspolitik gen Osten ("Östliche Partnerschaft") und nicht zuletzt die Fragen nach der territorialen Integrität Georgiens sowie der Rolle der Ukraine als Transitland für russisches Gas nach Europa.

Die ein paar Tage zuvor unterzeichnete Vereinbarung über ein russisch-europäisches Frühwarnsystem bei der Energieversorgung ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, aber noch keine Lösung des Problems. Auch hier sind noch viele Fragen offen.

Die Liste der wichtigen Themen zwischen EU und Russland wird immer länger und drängender. Beide Seiten müssen im Eigeninteresse den Stillstand auflösen. Vielleicht bringt der nächste EU-Russland Gipfel deutliche Fortschritte, zumal er der erste Gipfel nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon sein wird. Gerade in den Beziehungen zum größten direkten Nachbarn der EU wird sich zeigen, ob der Vertrag von Lissabon die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union verbessert hat.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Bernd Johann