Gutes Geld für gute Arbeit
26. November 2012Wer in der EU viel Geld verdienen will, der sollte in Belgien, Schweden, Dänemark, Frankreich oder Luxemburg arbeiten. Dort wird in der Industrie, aber auch im Dienstleistungssektor weitaus mehr bezahlt als in Deutschland. Die Bundesrepublik liegt bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft im Mittelfeld der alten EU, genauer gesagt auf dem siebten Platz.
Rechnet man den Bruttolohn und die Lohnnebenkosten, also den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld zusammen, dann müssen deutsche Unternehmen durchschnittlich 30,10 Euro pro Arbeitsstunde zahlen. In Dänemark sind es 38,80 Euro, in Schweden 39,10 Euro und in Belgien 39,30 Euro. Wer in Deutschland im Dienstleistungssektor arbeitet, verdient im Durchschnitt 20 Prozent weniger als in der Industrie. In keinem anderen EU-Land ist dieser Rückstand so groß.
Niedrige Einkommen schaden
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. "Die Zahlen unterstreichen, was wir an vielen Parametern ablesen können", sagt Professor Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts. "Deutschland ist ein Land mit hervorragender internationaler Wettbewerbsfähigkeit."
Je niedriger die Arbeitskosten sind, umso mehr Produkte können angeboten werden und umso mehr steigt der Absatz und damit auch die Beschäftigung. Das, so betont Horn, sei aber nur eine Seite der Medaille. "Niedrige Löhne heißt niedrige Einkommen, heißt niedrige Nachfrage, heißt niedrige Beschäftigung." Zwischen diesen gegenläufigen Effekten den optimalen Pfad zu finden, gleiche einer Gratwanderung, so Horn.
Exportüberschüsse auf Pump
Eine Gratwanderung, bei der Deutschland nach Ansicht des IMK in den letzten Jahren in eine gewaltige Schieflage gekommen ist. Seit Beginn der EU-Währungsunion seien die Arbeitskosten und damit auch die Lohnstückkosten in Deutschland im Verhältnis zur Produktivitätsentwicklung zu gering gestiegen. Das habe nicht nur die Binnennachfrage gelähmt und den sozialen Sicherungssystemen geschadet. Deutschland habe so auch ein gewaltiges Defizit in der Leistungsbilanz aufgebaut.
Hohe deutsche Exportüberschüsse seien "auf Pump, auf den Schulden der anderen Länder" entstanden, so Horn. Das habe dazu beigetragen, die Stabilität in der EU-Währungsunion zu gefährden. Gemessen an der Wirtschaftsleistung und einem EU-weiten Inflationsziel von zwei Prozent, so rechnet der IMK-Direktor vor, müssten die Löhne in Deutschland eigentlich um 16 Prozent höher liegen als momentan. "Die Erkenntnis, dass eine Währungsunion nicht stabil sein kann, wenn sich nicht alle Länder über eine lange Zeit an das Inflationsziel halten, diese Erkenntnis ist nicht einmal heute in allen Köpfen vorhanden."