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Gute-Laune-Kampagne für Deutschland

Marc Young7. Oktober 2005

Nach Jahren der wirtschaftlichen Flaute sehen die Deutschen reichlich depressiv in die Zukunft. Doch jetzt wollen Medienunternehmen die Laune verbessern – mit einer Werbekampagne, die Deutschland noch nie gesehen hat.

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"Du bist Franz Beckenbauer" - ein Spruch soll Selbstvertrauen gebenBild: presse

25 Top-Medienfirmen haben ein 30 Millionen Euro teures Anzeigenfeuerwerk gestartet mit dem Titel "Du bist Deutschland". Das soll die Stimmung der 82 Millionen Deutschen aufhellen. Mit einem fünf Monate langen Plädoyer für mehr Schwung wollen die Organisatoren die Radiowellen entern und Zeitungen, Magazine und Plakatwände mit der Nachricht überspülen, dass die Deutschen mehr Optimismus brauchen – trotz hoher Arbeitslosigkeit, schwachen Wirtschaftswachstums und einer verworrenen politischen Lage.

Kahn wirbt, Beethoven auch

"Deutschland macht sich selbst schlechter als es ist", sagte Bernd Kundrun, Vorstandsmitglied beim Medienriesen Bertelsmann. "Mit dieser einzigartigen, gemeinsamen Aktion wollen wir etwas dagegen tun." "Du bist Deutschland" solle Mut machen zu mehr Selbstbewusstsein und Motivation.

Du bist Deutschland Du bist Albert Einstein Kampagne
Sogar Albert Einstein wirbt posthum: Die Deutschen können doch was!Bild: presse

Die breite Medienallianz – die Sendezeit und Seitenplatz spendet – hat ein beeindruckendes Spektrum an Persönlichkeiten für die Kampagne eingespannt. Neben Berühmtheiten wie Fußball-Nationaltorwart Oliver Kahn und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki kommen auch historische Promis wie Albert Einstein oder Ludwig van Beethoven zu Ehren. Ob im Fernsehen, in Printmedien oder im Internet: Alle Anzeigen sollen die Deutschen dazu bringen, selbst dazu beizutragen, dass ihr Land wieder auf die Beine kommt.

Schwermut mit Tradition

Aber Deutschland aus dem Trübsinn zu reißen, wird harte Arbeit angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen und langem Gezerre um die künftige Regierung nach der Bundestagswahl am 18. September 2005. Jo Groebel, Psychologe und Direktor des Europäischen Medien-Instituts in Düsseldorf, lobt die Initiative – doch die Wurzeln der deutschen Mutlosigkeit lägen tief. "Die Deutschen sind in den letzten 150 Jahren von einer Identitätskrise in die nächste gestolpert", sagt er und verweist auf die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. "Es stimmt, dass die Deutschen sich nach Stabilität sehnen, aber das kommt daher, dass sie nie welche hatten. Die wirtschaftlichen Probleme haben die Angst, dass alles zusammenbricht, nur noch vergrößert."

Trabant am Tag der Wiedervereinigung mit Thumbnail
Die wirtschaftlichen Probleme nach der Wiedervereinigung lassen viele Deutsche schwarz sehenBild: AP

Teilweise sind die deutschen Sorgen aber übertrieben. Deutschland ist immer noch Exportweltmeister und bietet seinen Bürgern einen extrem hohen Lebensstandard. Aber seit die Globalisierung die hochbezahlten deutschen Jobs gefährdet und die Regierung beim Sozialstaat kürzen musste, ist das Klagen so etwas wie das Nationalhobby geworden.

Hatte Kennedy Recht?

Ulrich Wickert
'Tagesthemen'-Moderator Ulrich Wickert: 'Tut was fürs Land'Bild: dpa

Die Organisatoren der "Du bist Deutschland"-Kampagne machen sich keine Illusionen darüber, dass Fernsehen und Anzeigen allein die Deutschen heilen könnten. Doch sie hoffen, dass ihre Aktion etwas dazu beiträgt, eine Ärmel-hoch-Mentalität wie nach dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen. In einem Fernsehspot forderte ARD-Nachrichten-Anchorman Ulrich Wickert in Anlehnung an den Ex-US-Präsidenten John F. Kennedy: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst."

Alle großen privaten und öffentlich-rechtlichen Sender strahlten diesen ersten Spot aus und erreichten schätzungsweise 17 Millionen Zuschauer. Aber einige Beobachter in Deutschland bleiben skeptisch, ob der wunden Seele der Nation diese Streicheleinheiten helfen. "Es ist schwer zu sagen, ob diese Initiative die Leute mobilisiert", schreibt die Sächsische Zeitung aus Dresden. "Natürlich muss sich etwas ändern. Aber die schlechte wirtschaftliche Lage hat auch mit der miesen Stimmung zu tun – wer denkt, dass morgen die Welt untergeht, gibt nicht heute noch viel Geld im Computerladen aus."