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Wahrsager in Afghanistan

Ratbil Shamel28. März 2012

Für Wahrsager, auch Heiler genannt, blüht in Afghanistan das Geschäft. Die Zahl ihrer Anhänger - die meisten sind Frauen - wächst Tag für Tag. Doch die Weissagungen haben zum Teil schlimme Folgen.

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Wahrsagen, Hellsehen und das Anfertigen von mystischen Medaillons sind in Afghanistan sehr beliebt. Die Afghanen nutzen die Angebote der Wahrsager auf den Straßen oder in ihren Praxen um ihre Krankheiten zu heilen oder Wünsche erfüllen zu lassen. Die Bilder sind von der Agentur "3rd Eye". Der Fotograf ist Musafer und Sahel (siehe Bildname) Wir haben einen Vertrag mit ihnen (mit Frau Peschel abgesprochen). Zugeliefert von Waslat Hasrat-Nazimi
Afghanistan, WahrsagerBild: 3rd Eye/Musafer

Kopfschmerzen, Liebeskummer, oder gar Eheprobleme – für jedes Unglück versprechen die Wahrsager - in Afghanistan "tawiz newis" genannt - eine Lösung. In fast jeder Gemeinde im Land am Hindukusch gibt es einen oder mehrere Weissager. Ihr Geschäft hat eine Jahrhunderte alte Tradition.

Besonders aus drei Gründen kommen die Menschen zu ihnen, weiß Nasir Qasemi, Wahrsager und Heiler aus Kabul. "Viele Arbeitslose wollen, dass ich das Schicksal günstig stimme, damit sie einen sicheren Arbeitsplatz finden. Zudem kommen sehr viele kranke Menschen. Aber am häufigsten suchen mich Frauen auf, wenn sie Liebeskummer oder Eheprobleme haben.""Probleme im Nu gelöst"

Wahrsagen, Hellsehen und das Anfertigen von mystischen Medaillons sind in Afghanistan sehr beliebt. Die Afghanen nutzen die Angebote der Wahrsager auf den Straßen oder in ihren Praxen um ihre Krankheiten zu heilen oder Wünsche erfüllen zu lassen. Die Bilder sind von der Agentur "3rd Eye". Der Fotograf ist Musafer und Sahel (siehe Bildname)
Wahrsagen in Afghanistan - Lösung für alle Probleme?Bild: 3rd Eye/Reza Sahel

Qasemi besitzt wie die meisten Wahrsager keine Praxisräume. Meist sitzt er am Rande einer verstaubten Straße im Zentrum der Hauptstadt. Als "Büro" dient ihm ein kleiner alter Tisch, darauf liegen ein paar Würfel und einige vergilbte alte Bücher mit eigenartigen Zeichen, die an die altägyptische Schrift erinnern. Seine "Patienten" stört es nicht, dass sie auf dem kalten Boden sitzen müssen, solange der "Meister" in den fremdartigen Katalogen nach Lösungen sucht. "Was für uns zählt, sind Resultate", sagt die 40-jährige Fatima: "Ich hatte große Probleme mit meinem Ehemann und bat den Wahrsager, mir zu helfen. Er schrieb mir zwei passende Gebete auf, die ich in einen roten und einem weißen Umschlag stecken musste. Seit dem geht es unserer Ehe sehr gut."

Auch die 18-jährige Freshta aus Kundus glaubt fest an die übersinnlichen Fähigkeiten ihres Hellsehers. Sie ist überzeugt, dass er nicht nur gegen Liebeskummer vorgehen, sondern auch andauernde Konzentrationsschwäche unter Schülern im Nu aus der Welt schaffen kann. "Der Wahrsager sagte mir, dass ich mich auf Grund meiner besonderen familiären Situation nicht in der Schule konzentrieren kann. Er schrieb mir einige Gebete auf und nun ist alles in bester Ordnung."Geister bezwingen gegen Spende

Wahrsagen, Hellsehen und das Anfertigen von mystischen Medaillons sind in Afghanistan sehr beliebt. Die Afghanen nutzen die Angebote der Wahrsager auf den Straßen oder in ihren Praxen um ihre Krankheiten zu heilen oder Wünsche erfüllen zu lassen. Die Bilder sind von der Agentur "3rd Eye". Der Fotograf ist Musafer und Sahel (siehe Bildname) Wir haben einen Vertrag mit ihnen (mit Frau Peschel abgesprochen). Zugeliefert von Waslat Hasrat-Nazimi
Das Geschäft blüht: Wahrsager zählen während einer "Arbeitspause" die Einkünfte des TagesBild: 3rd Eye/Musafer

Die afghanischen Heiler handeln nach einem einfachen Prinzip. Sie geben ihren Besuchern nie eine Mitverantwortung für ihre Probleme. Sie hören sich alles genau an und machen dann die böse Schwiegermutter, einen anderen Verwandten oder gar die schrecklichen Geister der Unterwelt für die aktuellen Beschwerden und Schwierigkeiten verantwortlich. Dann kommt die wichtigste Botschaft: "Gegen eine großzügige Spende", so lautet der Spruch des Meisters, "können die bösen Verwandten oder Geister bezwungen werden."

Die selbsternannten Weissager leben von der Gutgläubigkeit der Menschen. Doch nicht immer haben ihre Ratschläge auch gute Folgen. Der 21-jährige Zarlaschat aus Kabul berichtet, wie ihr das Leben durch die Ratschläge eines Wahrsagers zur Hölle gemacht wird: "Meine Schwiegermutter möchte für ihre Töchter gute Ehemänner finden, doch bislang ist es ihr nicht gelungen. Der Wahrsager hat ihr gesagt, das sei alles die Schuld ihrer bösen Schwiegertochter, also meine Schuld. Seitdem werde ich von ihr regelmäßig mit einem Stock geschlagen.""Es fehlt an Beratungszentren"

Wahrsagen, Hellsehen und das Anfertigen von mystischen Medaillons sind in Afghanistan sehr beliebt. Die Afghanen nutzen die Angebote der Wahrsager auf den Straßen oder in ihren Praxen um ihre Krankheiten zu heilen oder Wünsche erfüllen zu lassen. Die Bilder sind von der Agentur "3rd Eye". Der Fotograf ist Musafer und Sahel (siehe Bildname) Wir haben einen Vertrag mit ihnen (mit Frau Peschel abgesprochen). Zugeliefert von Waslat Hasrat-Nazimi 2012
"Viele Menschen haben niemanden, der ihnen zuhört. Diese Situation nutzen die Wahrsager aus"Bild: 3rd Eye/Reza Sahel

Der Fall Zarlaschat sei keine Ausnahme, sagt der praktizierende Hausarzt Zabiullah Fetrat. Viele seiner Patientinnen klagen über ähnliche Probleme. "Wir haben in Afghanistan kaum Psychologen oder Zentren für Familienberatung. Viele Menschen, vor allem Frauen, brauchen jemanden, der ihnen zuhört und Recht gibt. Diese große Lücke füllen die sogenannten Wahrsager aus – mit zum Teil schlimmen Folgen für ihre Kunden".

Es sind nicht nur die Ärzte in Afghanistan, die ihre Patienten vor den Methoden der Wahrsager warnen. Auch viele Geistliche bezeichnen die Hellseher als Scharlatane. Doch weder den Schulmedizinern noch den religiösen Institutionen ist es bislang gelungen, die Glaubwürdigkeit der "tawiz newis" in der Bevölkerung zu schmälern.

Die Wahrsager selbst weisen jede Kritik an ihrer Arbeit zurück. "Uns gab es bereits vor fünfhundert Jahren, und uns wird es auch in den nächsten fünfhundert Jahren noch geben", prophezeit Nasir Qasemi, der "tawiz newis" von Kabul.