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Gutachter halten Breivik für schuldunfähig

29. November 2011

Der Norweger Amokschütze hat mit seinem Massaker das ganze Land erschüttert. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt ihm Unzurechungsfähigkeit. Demnach könnte Anders Behring Breivik keine Gefängnisstrafe verbüßen.

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Anders Behring Breivik (Foto:dpa)
Experten halten Anders Behring Breivik für schizophrenBild: dapd

Noch nie zuvor hatte Norwegen ein Attentat solchen Ausmaßes erfahren. Anders Behring Breiviks Fremdenhass führte dazu, dass bei dem Bombenanschlag im Osloer Regierungsviertel und beim Massaker auf der Insel Utöya am 22.Juli insgesamt 77 Menschen starben. Nachdem Breivik in der Norwegischen Innenstadt die Bombe gezündet hatte, stürmte der 32-Jährige ein sozialdemokratisches Jugendlager auf der Insel Utöya und schoss 90 Minuten lang wahllos auf die zu meist jugendlichen Campteilnehmer.

Vier Monate später, am Dienstag (29.11.2011), ist das 243 Seiten lange psychiatrische Gutachten veröffentlicht worden. Für die Öffentlichkeit ist es überraschend, doch beide Psychiater sind sich sicher: Breivik ist nicht zurechnungsfähig und somit strafunmündig.

Vom Täter zum Opfer?

Norwegens Staatsanwalt Svein Holden und Kollegin Inga Bejer Engh (Foto:dpa)
Die Staatsanwälte Svein Holden und Inga Bejer Engh müssen das Gutachten berücksichtigenBild: dapd

Breiviks Motiv stand schon nach kurzer Zeit fest. Sein maßloser Fremdenhass und die Wut auf den multikulturellen norwegischen Staat. Doch die Tat an sich war und ist für die meisten unerklärlich. Kurz nach dem Blutbad versuchte der Vorsitzende des Gremiums der norwegischen Vereinigung der Gerichtsmediziner, Tarjei Rygnestad, Breiviks Verhalten zu erklären. Dass der Attentäter für unzurechnungsfähig erklärt werden könne, sei für ihn unwahrscheinlich, sagte er noch im Juli. Die Anschläge seien so gut geplant und organisiert gewesen, dass man nur von einem intelligenten und mündigen Täter ausgehen könne.

Nach der Veröffentlichung des aktuellen psychiatrischen Berichts revidierte der Gerichtsmediziner allerdings seine voreilige Einschätzung. Seine damalige Aussage habe auf Informationen aus zweiter Hand beruht, der Geisteszustand einer Person könne nur durch genaue Analyse bestimmt werden, erklärte Dr. Rygnestad.

Ist Breivik also doch ein Opfer seiner Krankheit? Laut den forensischen Experten befand sich der Norweger während seiner Tat in einer Wahnwelt. Seine Gedanken und sein Verhalten wurden komplett von Wahnvorstellungen gesteuert. In dem aktuellen Bericht diagnostizieren ihm beide Psychiater eine paranoide Schizophrenie. Sowohl Torgeir Husby als auch seine Mitautorin Synne Sorheim, haben keine Zweifel an dem Befund. Ihr umfangreiches Gutachten stützt sich vor allem auf 13 Gespräche mit dem Attentäter und ein Interview mit seiner Mutter. Zudem wurden alle Polizeiverhöre eindringlich studiert.

Therapie statt Gefängnis

Anders Behring Breiviks Verteidiger (Foto:dapd)
Breiviks Anwalt könnte beim Prozess auf schuldunfähig plädierenBild: dapd

Da Breivik zur Tatzeit unter totalem Realitätsverlust gestanden und keine Kontrolle über sich selbst gehabt habe, könne er rechtlich für den Tod von 77 Menschen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Seine Verteidiger können also bei der für April angesetzten Gerichtsverhandlung auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Breivik würde demnach eine psychiatrische Therapie statt eine Gefängnisstrafe erwarten. Die Höchststrafe für eine solche Tat beträgt 21 Jahre Haft, eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie muss alle drei Jahre überprüft werden und kann lebenslang andauern.

Auch wenn der Befund überraschend ist, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ein Ausschuss von Gerichtspsychiatern muss das Gutachten anerkennen und im Frühjahr entscheidet das Osloer Gericht über Breiviks Strafe.

Autorin: Alina Alpert (dpa,dapd,rtr)
Redaktion: Sabine Faber