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Gutachten gegen Israels Zaunbau

Peter Philipp, zurzeit Den Haag 9. Juli 2004

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Israels Sperrzaun durch palästinensisches Gebiet für rechtswidrig erklärt. Das Gutachten ist jedoch nicht verbindlich. Israel reagierte ablehnend.

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Einschnitt in palästinensische BewegungsfreiheitBild: AP

Nach viermonatigen Beratungen hat sich der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (UN) in Den Haag am Freitag (9.7.2004) eindeutig gegen den israelischen Sperrzaun ausgesprochen. Er betont aber auch, dass in der langen Geschichte des Nahost-Konflikts Israelis und Palästinenser immer wieder mit illegalen Aktionen und einseitigen Entscheidungen ihre Pflicht verletzt haben, für eine friedliche Lösung zu arbeiten.

Klarer Verstoß

Der Bau der israelischen Sicherheitsanlagen verstoße gegen das humanitäre Völkerrecht, heißt es in dem Gutachten des Gerichtshofes. Israel müsse den Bau dieser Anlage einstellen, enteignetes Land zurückgeben und die betroffenen Palästinenser für die ihnen entstandenen Verluste entschädigen. Die israelischen Maßnahmen seien ein klarer Verstoß gegen die Vierte Genfer Konvention, die die Behandlung von Zivilisten unter Besatzung regele. Unter anderem werde die Bewegungsfreiheit der Palästinenser durch den Bau des Sperrzauns in erheblichem Masse eingeschränkt. Die 700 Kilometer lange Sicherheitsanlage – von der bisher ein knappes Drittel fertig gestellt ist – hindere Palästinenser, zur Arbeit zu gehen, zur Schule, in die Moscheen oder auch nur auf ihre Felder.

"Road Map" statt Sperrzaun

Das Gericht empfiehlt deswegen den Vereinten Nationen – und da besonders der Vollversammlung und dem Sicherheitsrat – ihre Bemühungen zu verdoppeln, der Region endlich eine dauerhafte Friedensregelung zu ermöglichen. Besonders gut geeignet sei hierzu die vom Sicherheitsrat angenommene "Road Map": Die so genannte Straßenkarte weise den Weg zu einer ausgehandelten Friedenslösung auf der Basis des Völkerrechts, der Schaffung eines palästinensischen Staates und der Herstellung von Frieden und Sicherheit für alle in der Region, heißt es aus Den Haag.

Das Rechtsgutachten ist kein Urteil und deswegen für niemanden verpflichtend. Aber eine so eindeutige Kritik an den israelischen Maßnahmen wird nun mit Sicherheit den Fortgang der diplomatischen Bemühungen beeinflussen: Die Palästinenser, möglicherweise auch arabische Staaten, werden nun mit Sicherheit vor die Vereinten Nationen ziehen und von der Weltorganisation Taten fordern, um die Den Haager Empfehlungen umzusetzen. Nur der UN-Sicherheitsrat allerdings wäre in der Lage, konkrete Maßnahmen zu beschließen. Im Sicherheitsrat aber muss man mit einem Veto der USA rechnen. Beschlüsse der Vollversammlung hingegen gehen – besonders wenn es um den Nahost-Konflikt geht – selten über Absichtserklärungen und Aufforderungen hinaus.

Selbstverteidigung oder Rechtsverletzung?

In Israel ist man sich dieser Umstände bewusst, erste Reaktionen sind ablehnend: Israel werde nur auf das eigene Oberste Gericht hören, meinte etwa Justizminister Josef Lapid am Freitag: Der oberste israelische Gerichtshof hatte Ende Juni 2004 immerhin angeordnet, die Sperranlage müsse auf einer Länge von 30 Kilometern verlegt werden, weil sie dort eine übermäßige Behinderung der palästinensischen Zivilbevölkerung darstelle.

Die UN-Vollversammlung hatte das Gutachten im Dezember 2003 bei der obersten Rechtsinstanz der UN in Auftrag gegeben. In schriftlichen Stellungnahmen und bei einer Anhörung im Februar hatten zahlreiche Staaten gefordert, den Bau der Anlage als Verstoß gegen internationales Recht zu verurteilen. Der schneidet in großen Teilen tief in palästinensisches Gebiet. Israel verteidigt die Maßnahme als Mittel der Selbstverteidigung gegen palästinensische Terroristen.