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Gut Ding will Weile haben

4. November 2009

Vor einem Jahr wählten die USA Barack Obama zum Präsidenten. Groß waren die Erwartungen, Enttäuschungen blieben nicht aus. Doch das ist kein Grund zur Entmutigung. Ein Kommentar von Christina Bergmann:

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Bild: DW

Weder die globale Aufrüstung noch der Nahost-Konflikt, weder der Atomstreit mit dem Iran noch der Krieg in Afghanistan lassen sich von heute auf morgen lösen. Das sollte eigentlich auch den Kritikern von Barack Obama klar sein, die jetzt erwarten, dass er die globalen und nationalen Probleme mit einem Handstreich löst. Obama selbst hat zwar hohe Erwartungen geweckt. Wer den "Wechsel" zu seinem Hauptwahlkampfargument macht, darf sich nicht wundern, dass er daran gemessen wird, ob er diesen Wechsel auch herbeiführt. Aber es ist unrealistisch und naiv, die Zeitspanne für Erfolge so kurz zu setzen.

Christina Bergmann
Christina Bergmann, DW-Korrespondentin in Washington

Dabei hat der Präsident durchaus einige Veränderungen bewirkt. Mit buchstäblich jeweils einem Federstrich hat Obama seit seiner Amtseinführung dafür gesorgt, dass vier Millionen mehr bedürftige Kinder durch den Staat krankenversichert sind, dass Frauen sich besser wehren können, wenn sie wegen ihres Geschlechts bei der Entlohnung benachteiligt werden, und dass die Stammzellforschung in den USA wieder verstärkt durch öffentliche Mittel gefördert wird. Mit dem 787 Milliarden Dollar schweren Konjunkturprogramm wurden und werden öffentliche Mittel unter anderem für Schulen, Krankenhäuser und den Straßenbau bereit gestellt. Die Konjunktur zieht wieder an, die Rezession wird in den USA von vielen bereits offiziell für beendet erklärt.

Klare Kante in der Innenpolitik

Die Handschrift des Präsidenten ist eindeutig. Er steht für eine sozial gerechtere Politik, in der der Staat mehr Verantwortung für seine Bürger übernimmt. Dass es genau dieser Punkt ist, der einigen Amerikanern missfällt, zeigt, dass der Präsident für seine Politik noch mehr Lobbyarbeit leisten muss - in der Öffentlichkeit, bei den politischen Gegnern aber auch in seiner eigenen Partei.

Barack Obama hat vor allem einen Fehler gemacht. Er hat auf die Vernunft gesetzt und dabei zwei Dinge außer Acht gelassen: Die republikanische Partei ist gespalten und benutzt ihn als Feindbild, um Einigkeit zu demonstrieren. Und der amerikanische Medienzirkus muss inzwischen rund um die Uhr Spektakel fabrizieren. So wurde die Debatte um die Gesundheitsreform von Republikanern und Medien zu einem Sommertheater umfunktioniert, von dem angeblich das Wohl und Wehe von Obamas Präsidentschaft abhängen soll. Zur Erinnerung: Auch Präsident Bill Clinton hat mit der Gesundheitsreform ein Debakel erlebt und ist trotzdem wiedergewählt worden.

Keine Wunder, kleine Wenden

Auf der internationalen Bühne hat es Barack Obama ebenfalls nicht an erfolgreichen Initiativen mangeln lassen. Er hat als erster amerikanischer Präsident eine Sondersitzung des Sicherheitsrats geleitet. Darin wurde eine Resolution zur nuklearen Abrüstung einstimmig verabschiedet. Er hat das teure und technisch veraltete Raketenschutzschild-Programm seines Vorgängers für Europa gestoppt. Er zieht wie versprochen die US-Soldaten nach und nach aus dem Irak ab, und er hat das Verhältnis zu Russland entspannt. Im Atomstreit mit dem Iran hat er die westlichen Verbündeten in die Pflicht genommen. Dagegen hat er in der Nahost- und Afghanistan-Politik noch keinen Durchbruch erzielt.

Nach nur neun Monaten im Amt, ein Jahr nach seiner Wahl, hat Präsident Obama also keine Wunder vollbracht, aber eine politische Kehrtwende eingeläutet.

Autorin: Christina Bergmann

Redaktion: Sven Töniges