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Gut aufgestellt

5. Juni 2009

Seit Jahren ist sie die heimliche Königin aller Wirtschaftsphrasen, die Wendung, man sei "gut aufgestellt". Alle Chefs sagen es von ihren Unternehmen, wirklich alle. Und ich frage, warum?

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Der Schriftsteller Burkhard SpinnenBild: privat

Zwei Antworten sind mir eingefallen. Die erste, die einfache Antwort: Redemoden gibt es wie Kleidermoden. Der Mensch liebt die Trends, auch auf der Zunge. Außerdem sind Modewörter nützlich, wenn man eigentlich nichts sagen möchte oder nichts zu sagen hat. Da ist man dann froh über jede Wendung, die gerade in aller Munde ist. Sprich: Der Mann ist zwar schlapp, aber sein Anzug ist up to date.

Nichts in der Sprache ist Zufall

Es gibt aber auch eine vertrackte Antwort. Sie lautet: Nichts in der Sprache ist Zufall! Selbst die scheinbar harmlosesten Modewörter sind Ausdruck einer Stimmung, einer inneren Haltung, die der Modewort-Benutzer vielleicht gar nicht so genau kennt. Und mehr noch: Oft tragen Modewörter etwas in den Mund des Sprechers, das er sich zu denken oder auszusprechen eigentlich sogar hütet!

So vielleicht auch im Falle von gut aufgestellt. Zuerst dachte ich, die Wendung stammte aus dem Sport. Doch ich zweifle an dieser Herkunft. Nie zuvor habe ich einen Reporter sagen hören, eine Fußballmannschaft sei gut aufgestellt.

Nein, der Ausdruck scheint mir aus dem Wortmaterial der Kriegsführung zu stammen. Truppenteile und Schlachtordnungen werden aufgestellt. Aber! Seit vielen Jahrzehnten sind die Kriege keine Stellungskriege mehr, in denen Reihen von steifen Zinnsoldaten einander gegenüber stehen. Im Gegenteil, die modernen Kriege sind Bewegungskriege; als Luftkriege kennen sie keinen Stillstand mehr und kaum noch eine Stellung.

Eine altmodische Vorstellung

Knie einer Statue von Michelangelo Symbolbild
Nicht so gut aufgestelltBild: picture-alliance /akg-images

Wenn also der Chef sagt, man sei gut aufgestellt, dann ruft er damit eine völlig altmodische Vorstellung ab. Und das rührt daher, dass ihm ein Gefühl der Ohnmacht seinen Text diktiert. Wenn der feindliche Angriff droht, zieht man sich in die Stellung zurück. Dann scheut man die Bewegung, dann igelt man sich ein, zieht sich zurück, macht man sich klein und bewegt sich so wenig wie möglich. Und wenn einer kommt und fragt, wie es so geht, dann sagt man, man sei gut aufgestellt.

Der Gebrauch von Modewörtern mag Souveränität signalisieren. Aber Vorsicht! Viele Modewörter zeigen in Wahrheit die Ängste der Sprecher. Manchmal erscheint in ihnen sogar das Schlimme, das man mit ihnen wegreden will. Ich jedenfalls misstraue mittlerweile Unternehmen, deren Chefs sagen, sie seien gut aufgestellt.

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Gerade ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

Redaktion: Gabriela Schaaf