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Militär gegen Politik

27. Juni 2009

Kein Präsident schaffte es bis zum Ende seiner Amtszeit. Der letzte wurde Opfer eines Attentats. Ein Präsidentschaftskandidat - ermordet. In dieser aufgeheizten Atmosphäre fanden am Sonntag in Guinea-Bissau Wahlen statt.

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Soldaten in Guinea-Bissau (Foto: AP)
Soldaten bei der Beerdigung des ArmeechefsBild: AP

Auch wenn sie beim Exerzieren zerschlissene Uniformen tragen und eher schlecht ausgerüstet sind, haben sie doch das Sagen im Land: die "Forças Revolucionárias do Póvo", die revolutionären Volksstreitkräfte. Die haben zuerst im März 2009 den damaligen Staatspräsidenten des Zwergstaats Guinea-Bissau brutal ermordet und Anfang Juni zwei weitere Spitzenpolitiker – angeblich, weil die einen Staatsstreich geplant hätten. Das Militär sei ein Staat im Staate, meint der Soziologe Huco Monteiro: "Die politische Instabilität heute hängt ironischerweise noch mit unserem Befreiungskrieg vor mehr als 30 Jahren zusammen: Das Militär hat ein viel zu großes Gewicht im politischen Leben und weigert sich permanent, sich der Politik und der Justiz unterzuordnen."

Chaos in der Armee

Soldaten vor dem Regierungspalast (Foto: Jochen Faget)
Soldaten vor dem RegierungspalastBild: Jochen Faget

8000 Mann zählt die Armee. Sie ist viel zu groß für das kleine Land. Und rund die Hälfte sind Offiziere, die seit dem Krieg gegen die damalige Kolonialmacht Portugal nicht bereit sind, ihre Waffen abzuliefern. Auch, weil der Staat zu arm ist, ihnen eine angemessene Rente zu bezahlen. Da aber auch der Sold immer wieder ausbleibt, herrscht Chaos bei den Streitkräften, weiß Juan Esteban Verástegui: "Unglücklicherweise haben sich die Strukturen der Armee aufgelöst. Man kann eigentlich nicht davon ausgehen, dass die Befehlshaber ihre Armee wirklich kontrollieren."

Der spanische General leitet eine EU-Delegation, die der Regierung Guinea-Bissaus helfen soll, den Militär- und Sicherheitsbereich des Landes neu zu organisieren. Das schließt sowohl die Polizeiausbildung, als auch die Verringerung der Streitkräfte auf etwa die Hälfte ein. Vor allem soll aus der Dschungelkämpfertruppe eine moderne, demokratische Armee werden: "Die alten Kämpfer, die ihr Ansehen im Krieg gewonnen haben, werden verschwinden. Dafür müssen Offiziere ausgebildet werden, die sich auf intellektuellem Gebiet auszeichnen."

Verhärtete Fronten

Das Geld für diese dringend nötige Reform sollen internationale Geberstaaten aufbringen. Unter anderem wird ein Pensionsfonds für ausscheidende Soldaten gegründet werden. Dessen Kapital wird allerdings von der – so wird gemunkelt – eher verhaltenen Geberlaune der internationalen Gemeinschaft abhängen. Und von der Fähigkeit der guineischen Politiker, sich endlich gegen das Militär durchzusetzen. Damit, das haben die letzten Attentate und Politikermorde gezeigt, gibt es noch immer große Probleme. Die Mörder des Staatspräsidenten João Bernardo Vieira zum Beispiel wurden, obwohl angeblich identifiziert, noch immer nicht der Staatsanwaltschaft überstellt, die immer wieder die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Militärs beklagt. Dass sich das so schnell nicht ändern wird, stellt José Zamora Induta, der Oberbefehlshaber immer wieder klar: "Die Staatsanwaltschaft soll selbst ermitteln und zu ihren eigenen Schlüssen kommen. Die können wir dann ja mit unseren Ermittlungen vergleichen. Aber denen unsere Unterlagen zu geben, hilft weder uns noch der Staatsanwaltschaft."

Politiker gefordert

Jugendliche in Guinea-Bissau (Foto: Jochen Faget)
Die Menschen im Land haben kaum PerspektivenBild: Jochen Faget

Dem Land Guinea-Bissau, eines der ärmsten der Welt, helfen solche Aussagen allerdings überhaupt nicht. Immer mehr Politiker und auch die Bevölkerung fordern, die Soldaten in ihre Schranken zu weisen. Notfalls sogar mit einer internationalen Eingreiftruppe. Irgendetwas muss endlich geschehen, erklärt auch General Estéban Verástegui: "Man kann sich nicht immer vor Entscheidungen drücken. Die Politiker müssen Maßnahmen ergreifen und das Militär unter ihre Kontrolle bringen. Das Militär muss begreifen, dass die Zeiten ihrer Machtspiele vorbei sind."

Autor: Jochen Faget

Redaktion: Katrin Ogunsade