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Mit Pauken und Trompeten

Filip Slavkovic7. August 2008

Kapellen aus ganz Europa, eine halbe Million Zuschauer und Lärm ohne Ende: Das serbischen Dorf Guca gibt das größte Brassmusik-Festival der Welt.

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Siegerorchester von Demiran Cerimovic beim Guca Brassband Festival 2007. Quelle: Veranstalter
Laut, voll und feuchtfröhlich: das Brassmusik-Festival in SerbienBild: Dragacevski Sabor Trubaca

Donnernde Basstuben, im Magen vibrierende Trommelgeräusche und blitzschnelle Trompeter – sie sind das Markenzeichen der Brassorchester aus Rumänien, Bulgarien oder Serbien. Mit solchen Rhythmen haben es die Blaskappellen vom Balkan in den letzten Jahren bis in die Spitze der so genannten Weltmusik geschafft. Die serbischen Volksbläser treffen sich schon seit 48 Jahren jeden August (6. bis 10.8.2008) zum größten Wettbewerb der Szene im 2.000-Seelen-Ort Guca.

Blasmusik an jeder Ecke

Eine Hauptsstraße und ein paar Nebenstraßen, zwei großzügige Plätze in Stadtzentrum: Viel mehr hat die verträumte Ortschaft im hügeligen und grünen Zentralserbien nicht zu bieten. Wäre da nicht die Dragacevo Trompeter-Versammlung. Auf drei großen Bühnen und an jeder Ecke, vor jeder Kneipe, wird hier fünf Tage lang unter freiem Himmel Blasmusik gespielt. Die Musiker geben ihr Bestes - am Finalabend am Sonntag werden die Sieger gekürt.

Der Musiker Boban Marko Markovic mit seinem Sohn. Quelle: Veranstalter
Junge Talente, berühmte Virtuosen - diese Musiker füllen bereits Konzerthallen in ganz EuropaBild: Dragacevski Sabor Trubaca

Guca ist voll mit Besuchern. Das jüngere Publikum ist mittlerweile in der Überzahl. Das sei vor 15 Jahren noch anders gewesen, sagt Adam Tadic, Organisator der Veranstaltung. "Damals kamen meistens nur ältere Menschen hierher. Für die waren die Tradition und das Serbentum am wichtigsten. Jetzt kommen aber auch jüngere Leute, die Spaß und gute Unterhaltung haben möchten."

Geld für die Stadtkasse

Seit 2000, als sich Serbien dem Westen öffnete, kommen auch immer mehr ausländische Gäste nach Guca: Slowenen, Deutsche, Italiener. Über eine halbe Million Besucher werden für die fünf Festivaltage in diesem Sommer erwartet. Die Feiernden spülen der Gemeinde ein hübsches Sümmchen in die Stadt-Kassen – gerechnet wird mit einem Gewinn von rund einer halben Million Euro. Umgerechnet sieben Euro kostet die Eintrittskarte, eine Übernachtung in der Region ist für 20 bis 30 Euro zu haben, das Bier wird für rund drei Euro eingeschenkt. Wer es schafft, einen der rustikalen Tische zu ergattern, isst am liebsten beim Traditionswirt "Daco". Seine Spezialität: Hochzeitskraut. Es wird in einem großen Tontopf gekocht und besteht aus drei Sorten Fleisch und Sauerkraut.

Tanz auf den Tischen

Tanzende Besucher. Quelle: AP
Die Besucher tanzen Tag und NachtBild: AP

Rund 50 Brassorchester treten in diesem Jahr in Guca auf, die meisten sind Roma aus Südserbien. Dazu kommen slawisch-serbische Trompeter aus dem Westen des Landes. Während die einen schnelle, orientalische Töne anschlagen, den so genannten Cocek, spielen die Anderen mit Vorliebe den lokalen Radtanz Kolo. Nicht selten werden dazu noch alte Jazz- und aktuelle Pophits in neuen Versionen kreiert.

Das Publikum kümmert der Wettbewerb unter den Musikern eher wenig. Es wird getanzt, auf Tischen gehüpft, gesungen und geklatscht - vom frühen Morgen bis ins nächste Morgengrauen. "Jeder hat hier gute Laune, jeder hat Spaß. Alle trinken, keiner streitet", freut sich ein Einwohner. "Alles läuft gut!" Auch wenn die Menschenmassen und der Lärm den Einheimischen manchmal zu viel werden, beschwert sich niemand. Es sei halt soviel los, dass man den Überblick verliere, sagt ein Unternehmer und nimmt es gelassen: "Wenn du jemanden suchst, kannst du ihn nicht finden. Aber wenn du stehen bleibst, dann kommt er irgendwann vorbei."

Von der Regierung gefördert

Die Hauptbühne bei der Abschlussveranstaltung 2007. Quelle: Veranstalter
Eine halbe Million Besucher füllt den kleinen Ort GucaBild: Dragacevski Sabor Trubaca

Ursprünglich war das Trompeter-Treffen in Guca nichts anderes als ein Volksmusikfestival. Die Veranstaltung ist aber inzwischen zu einem Prominententreffpunkt und einer echten Touristenattraktion mutiert. Die serbische Regierung fördert das gezielt: Serbien möchte von hier aus fröhliche Bilder in die Welt schicken und mehr zahlende Ausländer anlocken. In zwei Jahren, zum 50. Jubiläum, soll Guca dann mehr internationale Gästen anziehen als je zuvor.

Sprungbrett für Talente

Der 23-jährige Dejan Lazarevic auf der Bühne. Quelle: Veranstalter
Der 23-jährige Dejan Lazarevic bekam die "goldene Trompete"Bild: Dragacevski Sabor Trubaca

Und auch wenn die Brassmusik vielleicht nicht jedermanns Sache ist: Viele der in Guca auftretenden Musiker sind schon heute anerkannte Virtuosen. So wie der Vorjahresgewinner der "Goldenen Trompete", der 23-jährige Dejan Lazarevic. Er hat, wie viele, von seinem Vater gelernt und kann eigentlich gar keine Noten lesen. "Mit diesem Instrument bin ich aufgewachsen", sagt Lazarevic und hält seine Trompete hoch.

"Zu Hause lag eine kleine Trompete herum, mit der ich als Kind gespielt habe. Weil ich sie beschädigt hatte, brachte mein Vater sie zu Reparatur. Danach wollte ich darauf spielen, weil sie so schön neu aussah, doch ich wusste nicht wie. So habe ich langsam angefangen." Heute hat Lazarevic sein eigenes Orchester. Längst schon füllen er oder seine Kollegen die Konzerthallen in Europa und Amerika. Das ist auch ein Ansporn für die jüngsten Bläser vom Balkan. Denn für die serbischen Trompeter ist das Festival in Guca zu einem wichtigen Sprungbrett in die weite Musikwelt geworden.