Grünes Sofortprogramm für Jobs
13. Januar 2002Die Grünen-Fraktion verabschiedete auf ihrer Klausurtagung in Wörlitz in Sachsen-Anhalt ein "Sofortprogramm für mehr Beschäftigung". Die SPD-Fraktion kam auf ihrer eigenen Klausurtagung in Berlin dem Koalitionspartner ein Stück weit entgegen. Sie will Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) empfehlen, das "Mainzer Kombilohnmodell" bundesweit zu installieren.
Unterschiedliche Modelle
Beim Mainzer Kombilohnmodell werden Langzeitarbeitslosen bei Aufnahme einer niedrig entlohnten Tätigkeit für eine begrenzte Zeit die Sozialbeiträge erstattet. Nach einem Zeitungsbericht soll dieser Kombilohn vom 1. April an bundesweit von allen Arbeitsämtern angeboten werden. Regierungssprecher Uwe Karsten Heye und das Arbeitsministerium wollten sich noch nicht auf Summen festlegen. In Zeitungsberichten wurden unterschiedliche Kosten zwischen 32 und 70 Millionen Euro genannt. Arbeitsminister Walter Riester habe zugesagt, die Kosten von rund 20 Millionen Euro pro Jahr aus seinem Haushalt zur Verfügung zu stellen.
Das Acht-Punkte-Programm der Grünen geht weit über einen Kombilohn hinaus. So fordern die Grünen neben einem gestaffelten Zuschuss zu den Sozialbeiträgen im Einkommensbereich von 325 bis etwa 870 Euro ein befristetes Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose und steuerlich absetzbare erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten. Die Kosten bezifferte Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch auf 1,4 Milliarden Euro. Damit könnten noch in diesem Jahr 100000 Arbeitsplätze geschaffen werden
Streit um den richtigen Weg
Im Koalitionsstreit um die Arbeitsmarktpolitik verschärfte sich unterdessen der Ton zwischen SPD und Grünen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach am Freitag von einer "Unverschämtheit", wenn die Grünen sich so verhielten, als täten die Sozialdemokraten nichts für den Arbeitsmarkt. Grünen-Chef Fritz Kuhn sagte hingegen an die Adresse der SPD, die bisher auf dem Tisch liegenden Vorschläge seien seiner Partei "zu wenig". Wie viele Stellen so zu erzielen seien, könne aber "niemand vorherrechnen", sagte Struck.
Misere auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Hintergrund des Streits ist die schlechte Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt. SPD und Grüne fürchten, die Bundestagswahl im September 2002 zu verlieren, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht deutlich mehr Menschen in Deutschland eine Arbeit haben.
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Dezember erneut deutlich gestiegen und liegt nun bei fast vier Millionen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit erhöhte sich die Anzahl der erwerbslos gemeldeten Menschen im vergangenen Monat um 174.600 auf 3,96 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Arbeitslosenzahl damit um 154.600 gestiegen. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Dezember um 0,3 Prozentpunkte auf 9,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt, bezeichnet die Bilanz am Mittwoch in Nürnberg als einen "schwachen Abschluss eines schwachen Jahres".
Schlechte Wirtschaftslage belastet Arbeitsmarkt
Jagoda zufolge schlug auch die schwache Konjunktur auf den Arbeitsmarkt durch. Der saisonübliche Anstieg sei jedoch niedriger ausgefallen als vielfach erwartet. Saisonbereinigt erhöhte sich die Zahl der Erwerbslosen nach Angaben der Behörde um 6000 auf 3,94 Millionen. In den beiden Vormonaten hatte der Anstieg noch 19.000 beziehungsweise 29.000 betragen.
Weiterhin große Diskrepanz zwischen Westen und Osten
In den alten Bundesländern waren am Ende des vergangenen Jahres 2,58 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Das waren 116.200 mehr als im November und 130.300 mehr als im Dezember 2000. In den neuen Bundesländern waren 1,37 Millionen Menschen ohne Job, 58.300 mehr als im November und 24.300 mehr als vor Jahresfrist. Die Arbeitslosenquote liegt im Westen derzeit bei 7,7 Prozent, im Osten bei 17,6 Prozent.
Der vergleichsweise stärkere Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den alten Ländern ist auf das weitaus größere Gewicht der Industrie im Westen zurückzuführen. In den alten Bundesländern werde der Arbeitsmarkt zudem durch ein steigendes Kräfteangebot belastet. In den neuen Ländern führen Wanderungs- und Pendlereffekte dagegen zu einer Entlastung. (dk)