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Rent a Teacherman

Ramona Schlee21. November 2013

An Deutschlands Grundschulen herrscht Männermangel. Nur noch zwölf Prozent der Lehrenden sind Männer. Eine Bremer Initiative will das ändern und vermittelt deshalb Studenten an männerfreie Grundschulen.

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Sportunterricht in der Turnhalle der Grundschule Kirchhuchtinger Landstraße in Bremen (Foto: DW/Ramona Schlee.
Bild: DW/R. Schlee

Die Klasse 1b der Grundschule an der Kirchhuchtinger Landstraße in Bremen springt umher wie eine Horde Affen. Jedenfalls im Sportunterricht an diesem Donnerstag. Sportlehrerin Sabrina Eichwald hat ihnen erklärt, dass sie die Äffchen sind, die ihre Kokosnüsse - in Form von Gymnastikbällen - vor den Menschen beschützen müssen. Und nun rennen sie durch die Turnhalle. Es ist laut, sehr sehr laut.

Doch es sind nicht nur die Erstklässler, die hier toben. Auch ein junger Mann mit langen, blonden Haaren spielt mit. Es ist Erik Schäfer, der an der Grundschule freiwillig einmal in der Woche mit unterrichtet. Er ist ein Leihlehrer aus dem Programm "Rent a Teacherman". Erik studiert an der Universität Bremen Grundschullehramt und sammelt in dem Projekt Erfahrung. Außerdem sei jede Sportstunde für ihn die Bestätigung, dass er genau das Richtige studiere, betont er. Wenn die Kinder ihn mit "Guten Morgen, Herr Schäfer" begrüßen, fühlt sich der Student am richtigen Platz.

Grundschullehrer sind Exoten

Nicht einmal jede zehnte Lehrkraft an deutschen Grundschulen ist männlich, berichtet Christoph Fantini, Erziehungswissenschaftler an der Uni Bremen. Vor über drei Jahrzehnten waren es noch knapp fünfzig Prozent. "Es gibt in Bremen 17 Grundschulen, in denen nicht ein einziger Mann unterrichtet, von insgesamt 74 Grundschulen." An diese "männerfreien" Grundschulen vermittelt er im Programm "Rent a Teacherman" seine wenigen männlichen Studenten - seit Herbst 2011 immerhin knapp 20.

Lehramtsstudent Erik Schäfer (links) und Sportlehrerin Sabrina Eichwald binden einem kleinen Jungen die Schuhe (Foto: DW/Ramona Schlee)
Ein Mann für alle Fälle: "Teacherman" Erik SchäferBild: DW/R. Schlee

Kristian Bunte studiert bei Christoph Fantini auf Grundschullehramt. Ihn nervt, dass er als angehender Grundschullehrer immer auf sein Geschlecht reduziert werde. "Es heißt immer nur: Männer. Grundschule. Gut. Aber Mann-Sein ist zu wenig", meint er. Fantini pflichtet ihm bei. Man müsse didaktisch richtig viel drauf haben, um die Kleinen vom Lernen zu begeistern. "Die meisten aber glauben, dass an der Grundschule nur gesungen und gebastelt wird. Und das gilt eben als wenig männlich."

Männer nur als Rektor oder Hausmeister

Schulleiterin Annett Möller versucht seit Jahren, männliche Kollegen in ihre Grundschule zu bekommen. Ohne Erfolg. Daher freut sie sich über Erik Schäfer, der nun wenigstens einmal in der Woche da ist. Es fehle hier die "männliche Perspektive", beklagt Möller. Zum Beispiel könnten Männer eher akzeptieren, dass Jungs sich nun mal raufen. "Frauen greifen immer gleich ein, Männer lassen erstmal laufen."

Grundschulleiterin Annett Möller mit den Leihlehrern Kristian Bunte (links) und Erik Schäfer (Foto: DW/Ramona Schlee)
Schulleiterin Annett Möller mit ihren "Leihlehrern" Kristian Bunte (links) und Erik SchäferBild: DW/R. Schlee

In der Sportstunde der 1b kommt es tatsächlich zu einer kleinen Keilerei zwischen zwei Jungen. Leihlehrer Erik Schäfer beobachtet zunächst und greift erst ein, als es doch zu arg wird. Ein Junge fängt an zu heulen, Erik Schäfer tröstet und bindet die Schnürsenkel des Jungen. Das gehöre eben alles dazu, sagt er lachend.

Dringend gesucht: Vorbilder

Dass Männer sich kümmern, egal ob um Kinder, Kranke oder Alte - das erleben Kinder immer seltener, sagt Christoph Fantini. Alle Statistiken zeigten, dass sich Männer aus den Care-Berufen wie Erzieher, Sozialarbeiter oder auch Pfleger zurückziehen. Mit fatalen Folgen. Denn Deutschlands Bevölkerung werde immer älter und brauche gerade in diesen Berufsfeldern dringend Personal, erklärt die Professorin für Erziehungswissenschaft an der Universität Hildesheim, Meike Sophia Baader. "Wenn die Männer aus diesen Berufen aussteigen, lernen Kinder keine Vielfalt und differenzierte Rollenbilder mehr kennen", kritisiert sie. Das "Sich kümmern" und das Sorgen für andere Menschen werde zur Frauensache.

Dr. Christoph Fantini, Erziehungswissenschaftler an der Uni Bremen, hat das Projekt 'Rent a Teacherman' ins Leben gerufen (Foto: DW/Ramona Schlee)
Erziehungswissenschaftler Christoph Fantini hat das Projekt "Rent a Teacherman" ins Leben gerufenBild: DW/R. Schlee

Auch in anderen europäischen Ländern gebe es zu wenige Männer an Grundschulen, zum Beispiel in Polen, erklärt Baader. Anders sieht es in den skandinavischen Ländern aus. Hier ist der Anteil von männlichen und weiblichen Lehrern im Primarbereich nahezu ausgeglichen, was, so betont die Erziehungswissenschaftlerin, nicht an einer besseren Bezahlung liegt, denn deutsche Lehrer verdienen im internationalen Vergleich sehr gut. "Der Beruf des Lehrers - und übrigens auch des Erziehers - hat in der skandinavischen Gesellschaft ein gutes Image. "

Genau das möchte Christoph Fantini mit seiner Initiative auch bewirken. Er wolle Männer nicht an Grundschulen zwingen, beteuert der Professor. Aber er will, dass Jungen diesen Beruf überhaupt wählen können, weil sie gelernt haben: das ist gesellschaftlich akzeptiert. Und dafür braucht es Vorbilder. Jetzt. Sein Projekt "Rent a Teacherman" leistet dazu einen Beitrag.