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Parlamentswahlen in Griechenland

Jannis Papadimitriou (Athen)18. September 2015

Erstmals seit Ausbruch der Schuldenkrise erscheint eine große Koalition zwischen Linken und Konservativen in Griechenland realistisch. Doch Ex-Premier Alexis Tsipras sträubt sich dagegen - noch.

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Griechenland Alexis Tsipras und Vangelis Meimarakis TV-Debatte
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kolesidis

Auch in den letzten Umfragen vor der Wahl liegen die Linkspartei Syriza von Alexis Tsipras und die bürgerliche Oppositionspartei Nea Dimokratia unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Evangelos Meimarakis fast gleichauf. Syriza wird allerdings oft ein leichter Vorsprung vorausgesagt.

Neben den beiden Favoriten kämpfen sieben weitere Parteien um ihren Einzug ins Parlament. Somit ist es höchstwahrscheinlich, dass weder Linke noch Konservative eine absolute Mehrheit bekommen und bei einem Wahlsieg auf Koalitionspartner angewiesen wären.

Sämtliche Oppositionsparteien, unter ihnen die orthodoxen Kommunisten (KKE) sowie die aus Syriza hervorgegangene "Volkseinheit", sind sich sicher: Die Hauptkontrahenten steuern auf die große Koalition zu. Damit könnten die Sparauflagen umgesetzt werden, für die beide Parteien Mitte August bereits im Parlament gestimmt haben.

Konservativen-Chef Meimarakis plädiert offen für eine große Koalition und zeigt sich bereit, auf das Amt des Ministerpräsidenten zu verzichten, wenn dies der gemeinsamen Regierungsarbeit dienlich wäre.

Lange Zeit hat Ex-Premier Tsipras diese Frage ausgeblendet. In den letzten Wahlkampftagen scheint er seine Entscheidung gefällt zu haben: Eine Koalition mit den Konservativen wäre "unnatürlich", erklärte er beim jüngsten TV-Duell der Spitzenkandidaten.

Griechenland Wahlkampfplakate Alexis Tsipras und Vangelis Meimarakis (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Zurzeit gibt es immer noch rund 650.000 Wähler, die unentschlossen sindBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Wenig später legte er in einem Zeitungsinterview nach: Die letzte große Koalition unter Führung des ehemaligen EZB-Vizechefs Loukas Papademos 2011 sei "schmerzhaft für das Volk und die Gesellschaft" gewesen und habe zur Destabilisierung des Landes geführt, mahnte der Linkspolitiker.

Anders als bei früheren Urnengängen verzichtete Tsipras jedoch bisher auf persönliche Attacken gegen seinen konservativen Widersacher. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass eine große Koalition doch noch zustande kommen könnte.

"Nein, auf keinen Fall", sagt Nikolas Voulelis, Direktor der linksliberalen "Zeitung der Redakteure", der als profunder Kenner des Syriza-Innenlebens gilt. "Sollte Syriza nach der Wahl tatsächlich eine Koalition mit den Konservativen eingehen, wäre Tsipras erledigt. Gleich am nächsten Tag würde die Mehrheit der Linksabgeordneten die Fraktion verlassen", sagt Nikolas Voulelis.

Unentschiedene Wähler

Nach Schätzungen der Athener Tageszeitung "Ethnos" versuchen die Hauptkontrahenten in den letzten 48 Stunden vor dem Urnengang vor allem eins: Die 650.000 Griechen für sich zu gewinnen, die sich laut Umfragen noch nicht entschieden haben. Dadurch hätten die großen Parteien vielleicht doch noch die Chance, eine breite Mehrheit zu sichern und potentiellen Koalitionspartnern die eigene Agenda aufzudrücken.

"Am Sonntag ist das Syriza-Experiment zu Ende", verkündete Oppositionschef Meimarakis in seiner letzten großen Kundgebung vor der Wahl am Donnerstagabend. Nach Einschätzung von Zeitungsdirektor Nikolas Voulelis bestehe die Strategie von Tsipras darin, die Wähler vor einem Rechtsruck zu warnen: "Er sagt ihnen: Wer für Meimarakis stimmt, bekommt nichts anderes als Samaras im neuen Format."

Bei aller Polarisierung kurz vor dem Urnengang - die Option der großen Koalition ist nicht ganz vom Tisch. "Eine Kooperation zwischen Syriza und Nea Dimokratia ist wahrscheinlich, auch wenn es nicht danach aussieht", behauptet das Athener Wirtschaftsportal "Bankingnews". Auch Linkspolitiker Jannis Panoussis plädiert für eine Links-Rechts-Koalition: Die beiden großen Parteien sollen sich für drei oder vier Jahre zusammentun, um die großen Probleme des Landes zu lösen. Dann würden sie als Retter Griechenlands in die Geschichte eingehen und hätten anschließend immer noch genug Zeit, miteinander zu streiten, mahnt er in einem Radiointerview. In der inzwischen zurückgetretenen Tsipras-Regierung diente Panoussis als stellvertretender Minister für öffentliche Ordnung. Er ist allerdings kein Syriza-Mitglied.

Laut Umfragen würde die Mehrheit der Griechen eine große Koalition begrüßen. Bedenken gibt es allerdings auch: "Ich glaube nicht, dass diese Koalition wirklich effektiv wäre und die nötigen Reformen schneller voranbringen könnte", sagt Wirtschaftsanalyst Kostas Stoupas im Gespräch mit der DW. Seine Begründung: Es liege einfach in der Natur der Syriza-Partei, ständig Oppositionsarbeit zu leisten, auch wenn sie selbst regiert.

Die Alternative: Koalition mit den Sozialdemokraten

Sollten die Demoskopen Recht behalten, gäbe es für den Wahlsieger auch die Alternative, eine Koalition mit kleineren, linksgerichteten Parteien einzugehen. Sowohl für Syriza, als auch für die bürgerliche Nea Dimokratia kämen derzeit vor allem zwei mögliche Juniorpartner in Frage: Die sozialdemokratische Pasok oder die erst 2014 gegründete sozial-liberale Truppe des Journalisten Stavros Theodorakis To Potami. Beide Parteien machen sich Hoffnungen auf den dritten Platz, liegen derzeit laut Umfragen bei circa fünf Prozent und zeigen sich offen für eine künftige Regierungskoalition.

Wahlplakat mit Alexis Tsipras in Athen (Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Alexis Tsipras in Übergröße: Ob er eine große Koalition eingehen würde, ist noch unklarBild: Reuters/A. Konstantinidis

Nicht ausdrücklich ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich, ist eine Koalition zwischen Syriza und der neuen linksradikalen Partei Volkseinheit des ehemaligen Energieminister Panagiotis Lafazanis. Erst vor wenigen Wochen wurde die Partei von Syriza-Abweichlern gegründet mit dem erklärten Ziel, sich als drittstärkste Kraft zu etablieren, alle Sparauflagen rückgängig zu machen und die Rückkehr Griechenlands in eine nationale Währung zu vollziehen. Laut jüngsten Umfragen bekommt die Volkseinheit derzeit weniger als vier Prozent. Damit würde möglicherweise eine Syriza-Mehrheit verhindert, nicht aber die eigene Koalitionsfähigkeit gefördert.